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Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Titel: Die Alchimistin 03 - Die Gebannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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einer
fettigen Paste bestrichen, die Druckstellen unter den Gurten geschwollen und von der Farbe reifer Pflaumen. Er musste sich zahllose Male übergeben haben, das Wasser hatte nicht alle Reste des Erbrochenen fortgespült. Unter dem Lederband vor seinen Augen glitzerte Feuchtigkeit.
    Sein Anblick brach ihr das Herz.
    Mit zwei schnellen Schritten erreichte sie die Plattform und sprang hinauf. Der übelste Gestank ging nicht von Gillian aus, sondern strömte aus einem Abfluss im Boden. Sie wagte nicht, sich aufzurichten und ihm etwas ins Ohr zu flüstern. Stattdessen blieb sie in der Hocke und machte sich mit dem Skalpell an den Ledergurten zu schaffen, die seine Waden fest an den Sitz pressten. Das Material leistete der Klinge mehr Widerstand, als sie erwartet hatte. Sie würde eine Weile brauchen, um ihn freizubekommen.
    Ihr Blick fiel auf eine schwarze Halbmaske, die am Ende eines Ziehharmonikaschlauches befestigt war. Er führte zu einer torpedoförmigen Gasflasche neben der Plattform.
    Sie bekam Gillians Waden frei und machte sich gerade an dem Gurt über seinen Oberschenkeln zu schaffen, als ihr ein Laut durch Mark und Bein ging. Das Kreischen des Pavians. Er war jetzt irgendwo im Haupthaus, vielleicht schon auf der Treppe nach oben.
    »Wie haben Sie ihn abgerichtet?«, rief Gian. »Muss ziemlich schwierig sein, so ein Vieh zu zähmen.«
    Aber Tolleran blieb stumm und gab seine Position nicht preis. Wahrscheinlich war er bereits ganz in der Nähe.
    Der Gurt über Gillians Schenkeln löste sich. Als Nächstes war der vor seinem Bauch an der Reihe. Sie hätte erst seine Arme befreien können, aber sie wusste nicht, ob er dann nach ihr greifen würde. Im Moment war jede Sekunde kostbar, sie durfte sich nicht ablenken lassen, nicht mal von ihm.
    »Haben Sie den Affen mit demselben Mittel betäubt wie meinen
Vater?« Gians Tonfall verriet seine Ungeduld. Hoffentlich tat er nichts Unüberlegtes. »Man geht doch nicht in den Dschungel und fängt so ein Monster mit dem Netz ein.«
    »Steppe«, sagte Tolleran und trat hinter der Drehplattform hervor. »Paviane leben in der Steppe.«
    Aura hatte ihn nicht kommen hören. Keine zwei Meter vor ihr blieb er stehen. Sein Revolver zeigte auf ihre Stirn.
    Auch Gian sprang aus seinem Versteck und kam näher.
    »Stehen bleiben!«, befahl Tolleran.
    »Erschieß ihn«, sagte Aura kaltblütig, ohne sich zu Gian umzudrehen. Sie blieb in der Hocke, in einer Hand ihren Revolver, in der anderen das Skalpell. »Er kann uns nicht beide auf einmal töten. Einer von uns erwischt ihn. Also erschieß ihn und bring Gillian von hier fort.«
    Tolleran war in einem erbarmungswürdigen Zustand. Sein Gesicht war von aufgeplatzten Adern gerötet, in den Bartstoppeln hatte sich Schorf gebildet. Das Hemd hing ihm aus dem Bund, die Knöpfe in der Mitte fehlten. Seine Hose war übersät mit Flecken. Er schien sich selbst den Hals zerkratzt zu haben, lange rote Striemen verliefen vom Haaransatz bis nach vorn zum Kehlkopf. Seine Ärmel waren hochgekrempelt, auch an den Unterarmen hatte er sich Verletzungen zugefügt. Falls er das getan hatte, um gegen Gillians Einfluss anzukämpfen, dann war er damit erfolglos gewesen. Aura selbst spürte nichts von der Ausstrahlung des Hermaphroditen, womöglich weil er im Augenblick bewusstlos war.
    »Warum gehen Sie nicht einfach?«, fragte Tolleran mit Verzweiflung und Wut in der Stimme. »Er gehört mir, verstehen Sie das denn nicht?«
    Wieder brüllte der Affe. Aura war jetzt sicher, dass er sich im Treppenhaus befand.
    Nervös schwenkte der Professor die Mündung von Aura zu Gian und wieder zurück. »Legen Sie die Waffen weg!«

    Sie aber wandte sich langsam wieder Gillian zu, hob das Skalpell und begann, die Lederbänder der Maske zu zerschneiden.
    »Nein!«, schrie Tolleran und trat einen weiteren Schritt auf sie zu.
    Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Gian in der linken Hand einen der Glasflakons aus ihrer Umhängetasche hielt. Das Gefäß war klein, er konnte fast die Faust darum schließen.
    »Nehmen Sie das Skalpell da weg!«, kommandierte Tolleran.
    Sie führte die Klinge von der Maske zu Gillians Hals. »Wenn Sie auf mich schießen, schneide ich ihm die Kehle durch.«
    Der Professor hob seine Waffe am gestreckten Arm nach oben, bis sie sich auf einer Höhe mit Auras Schläfe befand. Zwischen der Mündung und ihrem Schädel lag kaum eine Armlänge. Seine Lider bebten, als hätte er Mühe, die Augen offen zu halten. Vielleicht brannten sie vom Umgang mit dem

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