Die Aldi-Welt
Markt in Osteuropa funktioniert in dieser Breite nicht.« Nichts zeigt deutlicher, wie weit sich der Konsum aus sich selbst hervorbringt: Wegen der fehlenden Kaufkraft und der politischen Stimmung sei »Osteuropa auf längere Sicht kein Markt für Aldi«.
Damit widerspricht Wolters vehement der landläufigen Meinung, die Gleichung »Hauptsache billig, dann floriert der Laden« würde so einfach wie ein Naturgesetz aufgehen. Für den Discounter, scheint es, empfiehlt sich sogar eine gewisse Zweiklassengesellschaft, arm und reich in schönster Harmonie – erst dann läuft die Sache wirklich rund. (Siehe den Erfolg der amerikanischen Aldi-Ableger, die sich gerade im Niemandsland zwischen arm und reich etablieren konnten.) Das hat etwas Befremdliches in einer Zeit, wo die Politik von links bis rechts nicht müde wird, vor einer solchen Spaltung zu warnen. Möglicherweise richtet man sich eben so ein, die einen der Not gehorchend, die anderen dem Kalkül.
So verschlossen die Geschäftsleitung sich sonst gibt, immerhin ließ Wolters durchblicken, daß neue Länder nur aldisiert werden, wenn mindestens ein Mitglied der Führungsriege die Landessprache hinreichend beherrscht. Die Konkurrenz müsse erst nervös werden, meinte Wolters, wenn er dabei ertappt werde, daß er einen Crashkurs in einer Fremdsprache absolviere. Dann freilich ist es für viele schon zu spät.
Aldi informiert
Mittwoch ist in Deutschland Aldi-Tag. Am Mittwoch erscheinen die ganzseitigen Anzeigen in den Tageszeitungen. »Aldi informiert…« – die schwarzweiße Seite mit den neuesten Schnäppchen und preisreduzierten Klassikern des Sortiments ist die einzige Visitenkarte des Unternehmens. Sie hat keinen Werbetext, bildet nur Produkte mit sachlichen Kurzbeschreibungen ab und weist darauf hin, daß manche dieser Artikel nicht allzu lange lieferbar sein werden. Bei Aldi liegt jeweils eine Woche, bevor das aufgefrischte Sortiment am Donnerstag in Kraft tritt, ein farbig gedrucktes DIN-A3-Blatt mit den Angeboten der kommenden Woche aus. Regelmäßige Aldi-Kunden verschaffen sich durch Mitnahme und häusliches Studium einen Informations- und Geschwindigkeitsvorsprung am Regal. Die Einkaufsroute kann noch gezielter geplant werden. Nur mit diesem traditionellen Medium tritt Aldi an die Öffentlichkeit. Ohne bewegtes Bild, ohne Ton, stumm und irgendwie archaisch. Keine Plakatwerbung auf Litfaßsäulen, keine Radiospots und schon gar keine Fernsehwerbung. Was du gedruckt in Händen hast, das kannst du anderntags getrost nach Hause tragen. Denn die eigentliche Botschaft ist der Preis.
Aldi ist Aldi, und wie die Fachwelt jenen Typus Geschäft nennt, ist den Kunden herzlich gleichgültig. Hauptsache billig. Da wir es bei Aldi, fachsprachlich gesehen, mit einem Discounter zu tun haben, lohnt es sich, die Merkmale einzukreisen, die einen solchen Discounter erst zum Discounter machen. In Italien, wo das moderne Banken(un)wesen erfunden wurde, dürften die Wurzeln der Discountidee historisch begraben liegen. Das unschöne neudeutsche Wort »Discounter« jedenfalls ist eine Schöpfung des 20. Jahrhunderts, eine Verballhornung des englischen Nomens »Discount« für »Rabatt, Skonto« – mit der deutschen Nachsilbe »-er« wie Macher, Durchsetzer, Verkäufer, Superreicher.
Daß die Sache mit dem Rabatt schon ein bißchen länger geht, beweist ein Blick in das deutsche Wörterbuch der Gebrüder Grimm, das (leider ohne historische Quelle) das Verb »discontieren« folgendermaßen definiert: »eigentlich abrechnen, abziehen; von dem ital. conto rechnung. einen noch nicht verfallenen Wechsel, vor der ablaufszeit, gegen abzug bestimmter procente ankaufen oder verkaufen.«
Die Mutter aller Einkaufsschlachten
Heutzutage sind Discounter Geschäfte, in denen – o heilige Einfalt edler Definitionen! – das Discountprinzip konsequent angewendet wird: Dieses Prinzip meint begrenztes Sortiment, einfache Ausstattung des Ladens und niedrige Preise. Die durchschnittliche Größe eines Lebensmitteldiscounters liegt bei 400 Quadratmetern Ladengröße, als Großdiscounter gilt, wer 700 Quadratmeter sein eigen nennt und Frischware anbietet. Warum sind Discounter so billig? Erstens: Durch ein auf wenige Waren konzentriertes Angebot und eine starke Bündelung beim Einkauf lassen sich bei den Zulieferern günstige Konditionen aushandeln. Zweitens: durch konsequenten Verkauf von Eigenmarken. Aldi hat diesen Punkt von allen Mitbewerbern am erfolgreichsten
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