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Die Aldi-Welt

Die Aldi-Welt

Titel: Die Aldi-Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Hintermeier
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Franzosen eine Pleite prophezeit. Die Franzosen seien es gewohnt, nur frische Lebensmittel vom Markt zu kaufen, und was der Klischees noch mehr sind. Unglücklicherweise haben aber auch in Frankreich eine Menge Leute einen schrumpfenden Geldbeutel. Aldi räumte zum Einstieg erst mal die Preise in den Keller. Bis zu 30 Prozent günstiger als die Konkurrenz wer kann da schon no, merci sagen? Die Franzosen jedenfalls nicht. Gegessen wird immer, auch in Frankreich, n’est-ce pas?
    Auch jenseits des Ärmelkanals wird gegessen, und wer es jemals tat, kennt die Unterschiede in der cuisine. Aldi hätte so schön zu den Kochkünsten angelsächsischer Durchschnittshaushalte gepaßt, wenn sich die Briten mal wieder nicht von ihrer stursten Seite gezeigt hätten. Baked beans auf Toast, das kriegt jeder hin, und die Zutaten gibt es bei Aldi. Aber, vermeldete die Wirtschaftswoche schon 1992: »Der Vormarsch stockt.« Bis zu diesem Stichjahr sollten bereits 200 Filialen auf der Insel Dienst tun, de facto waren es aber erst 38 geworden. What happened? Zunächst hatte es der Eindringling mit der üblichen Dumping-Masche versucht; in den mittelenglischen Ballungsräumen um Liverpool, Manchester und Birmingham – seinerzeit allesamt keine Boomtowns – schien die Rechnung auch aufzugehen. Aldi unterbot schamlos die örtliche Konkurrenz, bis diese zurückschlug und die deutschen Discountweltmeister sich gezwungen sahen, die staatliche Wettbewerbskontrolle einzuschalten: Aldi-Konkurrenten sollen ihre Großhändler bedroht haben, nicht länger an den deutschen Störenfried zu liefern, andernfalls… Tatsächlich sah sich Aldi gezwungen, in seinen Schaufenstern Plakate auszuhängen, auf denen sich die Firma für fehlende Produkte im Sortiment entschuldigte – einige Hersteller hätten die Zulieferung eingestellt. Die Konkurrenten wiesen jede Beteiligung natürlich von sich.
    Dabei hatte eine von der in Bristol ansässigen Management-Beratungsfirma SRA veröffentlichte Studie dem deutschen Discounter große Chancen prophezeit: jeder zweite Kunde würde zu Aldi überlaufen. Gegen diese düsteren Prophezeiungen mußten die heimischen Ketten sich wappnen. Aber auch von anderer Seite blies den Aldi-Eroberern der Wind ins Gesicht: Die dänische Kette Netto und die ewige Verfolger-Kette Lidl hefteten sich auf Aldis Fersen. Lidl will der Branchenpresse zufolge in England mindestens 300 Filialen aufbauen. Aldi wählte deswegen einen anderen, untypischen Weg und ging eine Symbiose mit einem Wirtstier ein. Das hört auf den Namen Gateway und betreibt 700 Läden im Königreich. Dort mietete sich Aldi huckepack mit einem Anteil an Verkaufsfläche ein. Möglicherweise könnte das dem angeschlagenen Handelsriesen Gateway, der einen Schuldenberg in Milliardenhöhe vor sich herschiebt, über kurz oder lang die stille Übernahme durch die Deutschen bringen; eine nicht unelegante Variante. Andere Länder, anderes Geschäftsgebaren.
    Nach dem Mauerfall gab es für Aldilogen ein seltenes Schauspiel, das in etwa mit dem Auftauchen des Kometen Hale-Bopp zu vergleichen ist: Man konnte Zeuge werden, wie sich der Discounter ins Ausland, das plötzlich Inland geworden war, vorarbeitete. Erstaunlicherweise verfielen die Manager nicht in einen Wiedervereinigungstaumel, sondern ließen die Kindlein erst einmal in aller Ruhe zu sich in die West-Filialen kommen. Das klappte so gut, daß die Nürnberger G & I Forschungsgemeinschaft für Marketing allein für das Jahr 1990 einen Umsatzzuwachs von 1,5 Milliarden Mark errechnete – die Akzeptanz des Discounters sei im Osten sehr hoch. Mit anderen Worten: Die Ostdeutschen waren wahnsinnig scharf auf Aldi. Die Frankfurter Unternehmensberatung M+M Eurodata gab 1991 als Ergebnis ihrer Analyse den Satz zum besten, die Ostdeutschen würden auf die Frage, was sie sich am meisten wünschten, antworten: »An jeder Ecke ein Aldi-Geschäft.« Da mußten sich die Neufünfländer gedulden, denn der Discount-Riese ließ sich Zeit, sondierte das Terrain und wertete ab, bis die Voraussetzungen für einen reibungslosen Geschäftsgang (Logistik, Immobilien) stimmten. Mittlerweile sind die deutschen Brüder aber im Geiste Aldis vereint, auch wenn noch nicht alle Landschaften blühen.
    So selten etwas aus dem Dunstkreis der Geheimniskrämer nach außen dringt, einmal ist es in der letzten Zeit doch geschehen. Die Wirtschaftswoche berichtete jedenfalls Ende September 1996 von einer mysteriösen Seminararbeit, die das Herz eines Aldi-Granden

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