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Die Aldi-Welt

Die Aldi-Welt

Titel: Die Aldi-Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Hintermeier
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rufen wir elegisch, der Coca-Cola-Mann hat es schon richtig gesehen. Dr. Wolfgang Pschenny, Chef der Coca Cola Deutschland Verkauf GmbH & Co. KG, Essen (siehe da: Nachbarn der Albrechts!): »Nicht der Handel entscheidet, was eine Marke ist, auch nicht der Hersteller, sondern allein der Konsument – sei dies nun Coca Cola oder Aldi.«
    Hugh, der Konsument wie du und ich hat gesprochen. Und die Marken wachsen mit den Margen in den Himmel. Denn alle Vertriebsformen im Einzelhandel haben rückläufige Tendenz, allein die Discounter wachsen und wachsen. Zehn Betriebe kontrollieren 80 Prozent des Inlandsgeschäftes, der viertplazierte Aldi-Konzern (hinter der Metro-Gruppe, Tengelmann und Rewe) hat zwar kein rasantes Wachstum mehr, legte aber 1996 immerhin noch vier Prozent Umsatz zu. Und noch eine Vergleichsgröße, die die Position dieses unabhängigen Marktriesen dokumentiert: Jede vierte Mark, die im deutschen Lebensmittelhandel ausgegeben wird, landet in der Kasse der Brüder Albrecht.
     
     
    Champagner für alle
     
    Und doch: Discounter sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. In den sechziger Jahren war es nach heutigen Standards nachgerade armselig, was da in den lieblosen Schachteln offeriert wurde. Vor zehn Jahren, 1988, baute Theo Albrecht in seinen Filialen massiv die Tiefkühlkostangebote aus; damit erweiterte er nicht nur das Kernsortiment um fast das Doppelte, er gewann auch in punkto Image. Wer heute auf der Südseite der Demarkationslinie der Reiche lebt – sagen wir in Bonn –, kennt den anderen Aldi wohl. Eingefleischte Aldi-Geherinnen haben bestätigt, sie bedauerten es, nicht dem Nordreich anzugehören wegen des sehr viel umfangreicheren Angebotes.
    Die Wirklichkeit ist nicht ganz so hart. Selbst Aldi Süd hat in seinen neueröffneten Märkten einen Zug ins Gelassene bekommen – freilich immer auf bescheidenem Niveau: Wer heute einen Aldi-Markt betritt, wird vieles vermissen, was in der bunten Warenwelt anderer Häuser selbstverständlich wirkt. »Bedarfsdeckung« ist angesagt, und die wird auch geliefert. Aber was der neuzeitliche Mensch so an Bedarf sich einbildet, ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Die toupierte Alster-Ente Eppendorfer Provenienz, die sich mit Büsumer Krabben eindeckt, um ihren Stammtisch billig abzufeiern, hat naturgemäß wenig mit dem Bedarf einer verwitweten Sozialhilfeempfängerin zu tun, die sich jahraus, jahrein auf Dosennahrung zurückgeworfen sieht. Sicher, man muß nicht in andere Läden, wenn man bei Aldi war – außer man hat partout ein Faible für frisches Fleisch, frischen Fisch, frische Milch. Und ein echter Fan von gesunder Ernährung wird erst einmal seine Berührungsangst überwinden müssen, bevor er den Konserventempel betritt.
    Die Deutschen, hat Der Spiegel herausgefunden, verzichten aber lieber auf gesunde Ernährung als auf den Urlaub. Bevor man sich dem Horror vacui Balkoniens aussetzt, wird so lange billig gegessen, bis man dann im Urlaub auf Mallorca wie bei Muttern futtern kann. Da kommt Aldi gerade recht, mit seinem Schwerpunkt auf den traditionellen Linsen- und Bohneneintöpfen, zu dem sich erst in den letzten Jahren fertige italienische Nudelgerichte gesellt haben. Bei den Lebensmitteln wird auf ausländische Grundnahrungsmittel beziehungsweise exotische Produkte verzichtet – auch wenn einiges davon mittlerweile den Speiseplan der reisefreudigen Deutschen erobert hat. Das beginnt beim Espresso, den der Kaffeegroßhändler Albrecht wunderlicherweise noch immer nicht im Angebot hat (sieht man von den Cappuccino-Fertigmischungen ab), geht über Gewürze (kein Cayennepfeffer, kein Chili), über so gut wie alles Asiatische (Basmatireis, Sojasauce, Erdnußöl). Wobei sich hier viel getan hat: Den Wünschen der Kunden folgend, haben die Aldi-Einkäufer so manche Tür aufgemacht, die noch vor zehn Jahren zugenagelt geblieben wäre. Insbesondere sogenannte hochpreisige (welch’ eisig’ Wort!) Artikel locken kaufkräftige Kunden in die Läden: Graved Lachs, Krabben, Champagner, Grappa, Edelsalami, Bordeaux etc. Zu Preisen, die sich Otto Normalverbraucher leisten kann und Otto Besserverdiener zu schätzen weiß. Leute, die rechnen können, und Leute, die rechnen müssen – das sei die Kundschaft, hat ein langjähriger Aldi-Mitarbeiter seine Klientel definiert.
    Im Grunde funktioniert Aldi aber noch immer nicht nach dem Verschwendungsprinzip: Dies offenbart sich auch schlagartig beim Betreten einer Filiale. Hier gibt es das, was man zum Leben

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