Die Aldi-Welt
Hersteller Epson zu stammen schien. Unangenehm stieß der Konkurrenz auf, daß Epson selbst einen höheren Verkaufspreis für das Modell angesetzt hatte, als es bei Aldi zu haben war: für 398 Mark. Deutlich über 20000 Stück sind angeblich verkauft worden. Im Jahr darauf versuchte Tchibo, diese Aktion zu toppen. Vielleicht kein Zufall, daß mit der Aldi-Aktion die Zeit der gigantischen Tower-Rechner zu Ende zu gehen scheint. Jedenfalls ist es seither keinesfalls mehr chic, sich so eine Plastiktruhe ins Zimmer zu stellen.
Die Methode hat Methode. Im Frühsommer 1997 etwa wurden bei Aldi-Süd Trekking-Fahrräder »Patagonia« mit 21-Gang Grip-Shift-Schaltung von Shimano für 498 Mark angeboten: Nicht der übliche Sperrmüll, den es in Baumärkten als PseudoSchnäppchen gibt, sondern richtig ordentliche Fahrräder, die sozusagen rechtzeitig als Gipfel und Abschluß des Bike-Booms verhökert wurden. Wer jetzt kein Rad hat, kauft sich keines mehr. Ähnlich erging es einem Klassiker britischer Regentrotz-Kunst. Die gewachsten Baumwolljacken der Marke »Barbour« sind in Großbritannien und seinem eingeborenen Sohn, der Freien und Hansestadt Hamburg, Pflichtübung. Sobald sich der Himmel verdüstert (und wann geschieht das mal nicht wie nebenbei?), bleibt zwar das Cabriodach offen, aber die Wachsjacke wird übergestreift. Schade nur, daß die Dinger regulär jenseits der 300-Mark-Grenze angesiedelt sind. Nicht so bei den Modezaren von Aldi. Für 99 Mark waren im Jahr 1997 Imitate zu haben – gesetzt den Fall, man parkte das Cabrio im Halteverbot und stürmte die Filiale. Nur solange der Vorrat reicht. Also gar nicht lang. Wer jetzt nicht ungewachst durch das Aldi-Nordland streifen will, muß wieder auf das Original zurückgreifen.
»Dienstag, 9. Juni, 9 Uhr Balkonpflanzen« – ein schlichtes Schild, simpel wie ein Kartoffeldruck, von innen an die Ladentür geklebt, gibt Kunde von Unerhörtem. Wer sich für Balkonpflanzen interessiert, sollte an jenem Dienstag tunlichst überpünktlich zur Stelle sein: Das Schauspiel allein ist es wert, genossen zu werden. Da die Balkonpflanzen, eine hier nicht näher zu bezeichnende Geranienart, um mehr als die Hälfte billiger sind als auf Märkten oder im einschlägigen Fachhandel, kommt bei der anstürmenden Blumenkübelmeute nicht der grüne Finger, sondern die ausgefahrene Schnäppchenkralle zum Einsatz. Das ist ein Hauen und Stechen, da reißen sich gutbürgerliche und gutsituierte Damen fortgeschrittenen Alters die Paletten aus den Händen; besonders Dreiste versuchen schamlos, Verpaßtes aus fremden Einkaufswagen auszuladen. Gerungen wird mit Scheinfragen und Ablenkungsmanövern, mehr recht als schlecht von Ehemännern flankiert, denen dieses Schauspiel offensichtlich a) unwürdig, b) insgeheim peinlich, aber c) letztlich so was von wichtig ist, daß sie sich wie Kampfhähne zwischen die flatternden Weibchen werfen. Wer um 11 Uhr die Schlachtstätte betritt, steht vor den kümmerlichen Resten, ein paar mickrigen Restexemplaren, Spuren von Blumenerde auf dem Boden und der vermutlich vergeblichen Hoffnung auf einen Nachschlag noch in dieser Saison.
Adidas oder Aldidas
In den Neunzigern, als der radikale Chic der Bescheidenheit sich auch auf die Kleidung zu übertragen begann, etablierte sich Aldi auch im Jugendkult. Street Wear made by Aldi – vom Discounter so wohl nie beabsichtigt – war wegen seines Retro-Charmes plötzlich wahnsinnig en vogue. Die Frage hieß nicht mehr Nike oder Reebok, statt Adidas durfte es auch mal Aldidas sein. Etwa der Leinenfreizeitschuh mit der schicken Lederapplikation im Fersenbereich für 12,98. Er war Mitte der neunziger ein vielgesehener Gast in sommerlichen Vergnügungsstätten; damals kostete der nächste Markenkonkurrent noch mindestens 30 Mark, eindeutig zu viel für einen Schweißtreiber, der meist nur eine Saison getragen wird. Und alle, alle haben sich mit einem Blick zu Boden daran erkannt; und manche haben sich gewundert, wer alles den Weg zu Aldi geschafft hatte. Witzigerweise tauchten zu dieser Zeit auch T-Shirts mit dem Aldi(Süd)-Logo auf dem Markt auf. Eine ziemlich raffinierte Alternative der Subkultur gegen den Markenwahnsinn, der Youngsters zu wandelnden Litfaßsäulen macht. Es hätte schlimmer kommen können. Andere Markenartikler werden in der T-Shirt-Verlautbarungskultur weniger zimperlich angepackt. Dem süddeutschen Sportmodehersteller »Windsurfing Chiemsee« ist folgendes widerfahren: Der fand
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