Die Aldi-Welt
demonstrandum.
Nicht anders ist es dem Speichermedium CD-ROM ergangen. Es hat lange nicht das gehalten – im Absatz wie in der Durchdringung des Marktes –, was sich die Branche davon versprochen hat. Als 1996 bei Aldi Nord die »Top Collection« auftauchte – 13 CD-ROMs mit Ratgebern, Nachschlagewerken, Tierlexikon, City-Guide für 59,98 (Stückpreis 4,60) wurde das im Buchreport als Zeichen gewertet, das Medium gewinne »auch in der Breite« an Popularität. So kann man Verklappung von Überbeständen auch definieren.
Die Popularitäts- beziehungsweise Breitenwirkung hatte Aldi bereits auf dem Markt des deutschen Schlagers bewiesen. Anno 1996 wurden Meisterwerke der Kelly-Family und Meisterwerke der Flippers (4 CDs, 19,98) offeriert. Die Aufnahme in die Aldi-Regale, höhnte ein Anonymus im Streiflicht der Süddeutschen Zeitung, sei mit der Berufung eines Literaten in die Académie française oder eines Superstars in die Hall of Farne zu vergleichen. Aber, so der Kulturmiesepeter weiter, »in einem Land, in dem jedes McDonald’s das Wort ›Restaurant‹ über seine Tore schreiben darf, in dem ein Atomreaktor sich als ›Neutronenquell‹ und eine SPD sich als Opposition verkauft, in so einem Land dürfen sich die Flippers wahrscheinlich auch Musiker nennen und Aldi ihre Songs ›Meisterwerke‹.« Wer wird denn gleich so moralinsauer mit dem Zeigefinger fuchteln? Nach solcher Abwehr war zumindest eines klar: Aldi war noch nicht reif für das Feuilleton. Dazu hätte schon die CD-Edition »Heiner Müller tanzt die Kindertotenlieder (Klavier: Pina Bausch)« an der Kasse liegen müssen.
Stiftung Alditest
»Jeder Artikel ist mit der umfassendsten Garantie ausgestattet.« – Das ist die Präambel zur Verfassung des Staates Aldi. »The pursuit of happiness«, das Streben nach dem persönlichen Glück, das die amerikanischen Verfassungsväter ihrem Gesetzeswerk vorangestellt haben, hat ungefähr so eine Bedeutung wie die Zehn Gebote zusammen. Diese Präambel konstituiert für Aldi den unbedingten und umfassenden Anspruch, der mit Sicherheit maßgeblich zum Erfolg der Discountidee beigetragen hat. Der Glaube an die Qualität der eigenen Produkte wird bis hinauf in die Zentralen in Essen und Mülheim gepflegt. Aldi-Manager sind verpflichtet, regelmäßig im Selbstversuch Lebensmittel aus dem eigenen Haus zu testen. Diese kostenlose Nebenbeikontrolle hält die Betriebswirte nah am Produkt – und die Lieferanten ziemlich auf Trab. Durch regelmäßige, stichprobenartige Kontrollen werden Lieferanten von Fertiggerichten überprüft, permanent gleichbleibende Qualität anzubieten. Tun sie es nicht, heißt es Abschied nehmen. Das fällt im Laden dann nur dem Eingeweihten auf, wenn während der Saison der Lieferant gewechselt wird.
Nehmen wir als Gewährsmann einen eher untypischen Aldi-Kunden. Der Textilfabrikant Wolfgang Grupp ist ein aufrechter Schwabe, der auf shareholder value und Globalisierung pfeift. Er läßt daheim, in Burladingen, seine Textilien Marke »Trigema« produzieren, beschäftigt 1100 Angestellte und setzte im Jahr 1996 über 150 Millionen Mark um. Wie es sich für einen Häuslebauer gehört, besitzt Grupp eine Prunkvilla im schwäbisch-maurisch-venezianischen Stil, läßt Mercedes 600 fahren und hat sich in eine gläserne Garage einen Firmenhelikopter gestellt, damit nur ja keiner die Insignien des Wohlhabenden übersehe. Grupp hat eine Baronesse aus der Steiermark geehelicht, ist leidenschaftlicher Jäger und Hinter-dem-Komma-Rechner. Als solcher hat er Bekanntschaft mit den beiden Über-Ichs eines jeden Pfennigfuchsers gemacht – und zunächst den kürzeren gezogen. Grupp lieferte dem Discounter seine Trikotagen, bis der mal wieder an der Preisschraube drehte. Aber im Gegensatz zu anderen Lieferanten ging der aufrechte Schwabe nicht in die Knie. Er blieb bei seinem Preis, verlor den Auftrag und gründete postwendend eigene Verkaufsstellen. Ist Grupp geizig? Nein. Er haßt bloß, darin vermutlich allen erfolgreichen Selfmade-Männern und -Frauen verwandt, unnötige Verschwendung. Weswegen er als Privatmann weiterhin bei Aldi einkaufen geht. Einem rotgeränderten Hamburger Nachrichtenmagazin vertraute er an, Aldi sei »erste Qualität, ich bewundere die Unternehmer Albrecht«. Ganz zum Vorbild hat er sich die Brüder – zum Glück für seine Angestellten, wie gesagt werden kann – nicht gemacht. Grupp ist von unendlicher Zähigkeit, was die Treue zu seinen Leuten angeht. Er bezahlt
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