Die Aldi-Welt
sich auf Fake-Shirts unter der Bezeichnung »Windsurfing Gabersee« wieder – wobei Gabersee die Nervenheilanstalt im südlich von München gelegenen Haar bezeichnet, in Bayern aber als Synonym für Irrenhaus bekannt ist. Bei Aldi gab es offenbar nichts zu kritteln; so ändern sich die Zeiten: Wo in den späten Siebzigern noch das punkige große A im Kreis (für Anarchie) verpflichtend gewesen wäre, prangte ein unreflektiertes Aldi-Logo, und das Medium war ausnahmsweise nicht die Botschaft.
Was der Deutsche in der kühlen Jahreszeit besonders gern trägt, sei es in der Freizeit oder bei der Schwarzarbeit, ist der Bundeswehrpullover, einfach, oliv. Auch den gab es schon bei Aldi, für wirklich günstige 47,98 (mit zwei Nationalitätsabzeichen zum Aufsteppen). Der Vertrieb der pflegeleichten Herren-City-Hemden (14,98), Kinder-Comic-Söckchen (3,98), von »Shamp« Aktueller Blouson mit passender Weste für Damen und Herren (69,98), von Damen-Hüftslips aus 100 % gekämmter Baumwolle (3er Packung 7,98) – das alles kommt nicht von ungefähr, sondern macht bei Aldi mittlerweile auch schon wieder eine Milliarde Umsatz aus. Damit sind die Brüder Albrecht wie nebenbei und wie stets unauffällig unter die zehn größten deutschen Textilhändler aufgestiegen. Und sind doch wieder in vertrauter Gesellschaft: An der Spitze Metro, gefolgt von Karstadt und C&A. Daß in diesem Bereich noch etwas zu holen ist, beweisen die Aktivitäten des Kaffeerösters Tchibo, der sich in punkto Textilhandel auf den 15. Platz der deutschen Rangliste vorgeschoben hat – allerdings mit wesentlich höherem Werbeaufwand als die schweigsamen Brüder.
Und wer gedacht hat, das Kulturgut Buch werde vernachlässigt, irrt. Von selbst wären die Herren Albrecht vermutlich nicht auf die Idee gekommen, Bücher zu verkaufen. Aber die Konkurrenz der Kaffeeröster, allen voran Eduscho, hat es jahrelang mit Erfolg vorexerziert. Kein Wunder, daß bestimmte Teile der Buchbranche nervös wurden, als Tchibo den Eduscho-Konzern übernahm – die Sorge wuchs, daß im Zeitalter steigender Remissionen (zurückgeschickter Bücherberge) die großen Kaffeeröster in ihren Gebrauchsgütermärkten sich in Sachen Buch noch stärker engagieren würden. Diese sogenannten Nebenmarkt-Bücher, wie sie etwa von Naumann & Göbel oder Lingen vertrieben werden, erzielen Umsätze im zweistelligen Millionenbereich. Gerade bei Aldi tauchen in den Sommermonaten immer wieder mal Paletten mit gebundenen Unterhaltungsromanen für 5,98 Mark auf – wenn die aktuelle Pilcher auf 50 Mark zugeht, darf es für viele Leserinnen auch mal etwas Günstigeres sein.
Das hat schon im Jahr 1988 ein Coup deutlich gemacht, den der Bad Homburger Wirtschaftsjurist Dieter Heitbaum im Dienste der Aldi-Brüder mit dem Münchner Verleger Ulrich Staudinger eingefädelt hat. Bei Aldi-Nord lagen plötzlich stapelweise Romane von Autorinnen wie Utta Danella, Dorothy Eden, Evelyn Anthony und Evelyn Peters – gebunden, für 5,98 Mark. Staudinger, damals Verleger des Münchner Schneekluth Verlages, bekam von Heitbaum das Angebot, die Lizenzrechte für 14 Tage an eine große norddeutsche Lebensmittelfilialkette zu übertragen. Von Aldi war im Vertrag nicht die Rede gewesen. Heitbaum garantierte Staudinger einen Mindestabsatz von 50000 Exemplaren pro Titel. Jedes Buch, das darüber hinaus verkauft werden würde, sollte einzeln abgerechnet werden.
Über die vereinbarte Handelsspanne hat sich Staudinger natürlich ausgeschwiegen; er räumte aber ein, sie habe sich im Bereich der sonst bei Taschenbüchern oder Buchclubausgaben üblichen Margen bewegt – also rund fünf Prozent des Ladenpreises. Staudinger lieferte der norddeutschen Filialkette die originalen Druckvorlagen. Als die Bücher dann bei Aldi lagen, konnte der Münchner Verleger nur feststellen, die Qualität entspreche nicht dem üblichen Angebot: »Das ist hochindustriell schlampig produziert, mit rasch brechender Trockenleimbindung«, gab er damals zu Protokoll. Staudinger kam dann doch ins Grübeln, als das Fachmagazin Buchreport spekulierte, Aldi habe nicht 50 000 Exemplare, sondern 150 000 verkauft. Bei Staudingers ursprünglicher Berechnung – er war von Herstellungskosten von 3,50 Mark pro Buch bei einer Auflage von 60000 bis 80000 ausgegangen – ist es offenbar nicht geblieben; Heitbaum hat jedenfalls damals noch zwei weitere Lizenzen angekauft (von Victoria Holt und Dorothy Eden).
Die Buchbranche geriet naturgemäß in das, wohin sie immer zu
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