Die Aldi-Welt
DIN-A4-Seite stehen im Querformat, alles wunderbar abgekürzt, aber leicht zu entschlüsseln die Umsätze. Da gibt es keinen Einwand: Was unter dem Strich steht, gilt.
Ein weiteres Instrument zur allzeit präzisen Überwachung des Geschäftsgangs ist die PUS, die Personal-Umsatz-Statistik. Sie wird einmal im Monat erstellt und zeigt, ebenfalls sehr schön übersichtlich auf einer DIN-A4-Seite, den Umsatz einer Gesellschaft, aufgeschlüsselt nach den einzelnen Verkaufsstellen. Abzulesen ist daraus der Umsatz pro Gesellschaft sowie der Umsatz pro beschäftigter Person. Die PUS unterliegt selbstverständlich der Geheimhaltung. Aber die Konkurrenz weiß es längst: Aldi erringt in punkto Pro-Kopf-Umsatz den Spitzenwert. Pro hundert Mark Umsatz fallen dort nur drei bis vier Prozent Personalkosten an. Die im Handel übliche Spanne liegt bei 17 bis 20 Prozent. Auch betriebswirtschaftliche Laien werden der Rigidität des Systems nicht die Achtung verweigern können. Es ist brutal, aber perfekt.
So lebten sie alle Tage unter dem Dach des Nordkönigs Theo. Drunten, im Süden, erging es den Untertanen nicht viel besser, aber auch nicht schlechter. Durchgesickert ist die Kunde, daß dort im Reiche Karl Albrechts die Herrschaftsstrukturen noch stärker gestrafft sind. In einem Fünferschritt geht es von der Verkäuferin über den Filialleiter, Bezirksleiter, zum regionalen Verkaufsleiter und schließlich zum Niederlassungsleiter. Letzterer berichtet direkt in die Konzernzentrale, während das mittlere Management (Verkaufs-, Einkaufs-, Betriebs-, Verwaltungs- und Expansionsleiter) ihm zuarbeiten. Bei einem geschätzten Umsatz von 15 Milliarden Mark fallen durch dieses extrem knapp kalkulierte Panel gerade mal 400 Millionen Mark Personalkosten an – 2,5 Prozent des Umsatzes. Ein einmalig niedriger Wert. Den Preis dafür zahlen die Angestellten, die zwar die Gewähr eines sicheren Arbeitsplatzes haben, aber eben nur, wenn sie sich den Regeln vollständig beugen, bis sie sie als unumstößlich verinnerlicht haben.
Nach dem Mauerfall soll es bei Aldi-Nord, notabene in Berlin, zu ungeheuerlichen Prellmanövern an ostdeutschen Neubrüdern und -Schwestern gekommen sein. Auf der Suche nach dem goldenen Westarbeitsplatz landeten naturgemäß sofort viele bei Aldi, dessen Ruf die Mauer schon durchdrungen hatte. Die Jobsuchenden wurden erst mal mit den Preislisten nach Hause geschickt, um schön brav alle Preise (beziehungsweise die Kürzel für die Warengruppen) so lange auswendig zu lernen, bis der Stoff saß. Dann wurden sie zum Probeeinsatz an die Kasse gesetzt. Wenn das klappte, winkte ein Arbeitsvertrag. Die häusliche Vorbereitung und die Arbeitsprobe gingen auf Kosten der möglichen künftigen Mitarbeiter – so was nennt sich neuzeitliche Schulungsmethode. Learning by doing, das paying kommt später.
Wer reinkommt, ist drin
Die Luft auf dem Gipfel ist dünn. Das hat auch das Imperium unter dem Doppel-A schon bemerkt, denn die Konkurrenz dreht unerbittlich an der sogenannten Preisschraube. Ein ruinöser Verdrängungswettbewerb ist seit Jahren im deutschen Handel am Köcheln. Die Kunden merken von dem Infight hinter den Kulissen nichts, außer daß sie immer mehr Auswahl an teilweise extrem günstigen Produkten haben. Mit »Kampfpreisen« in den »Preiskampf«, das ist der Jargon der Fachpresse, wenn sie jene Aldi-Methode beschreibt, die mit Preissenkung auf Kundenfang geht. Vor allem zwei Konkurrenten haben sich in letzter Zeit hartnäckig auf die Fersen der Discount-Milliardäre geheftet: Rewe mit seiner Billigkette Penny Markt und der schwäbische Unternehmer Dieter Schwarz mit seinem Aldi-Klon Lidl. Schwarz hat vor allem in den neuen Bundesländern einen furiosen Start hingelegt; ausgerechnet dort hat Aldi es ja besonnen angehen lassen. Von Penny gibt es auch schon über 2000 Filialen bundesweit, Tendenz steigend. Wer so schnell wächst wie Lidl, hat oftmals eine reichlich dünne Finanzdecke – und genau diese ziehen die Aldi-Brüder dem Konkurrenten mit Preissenkungen über den Kopf. Denn eines ist bei Aldi nicht zu befürchten: daß dem Discounter das Geld ausgeht. Und so verfügt Aldi sozusagen über die A-Waffe im Preiskampf, jederzeit bereit für den »finalen Rettungsschuß«. Die Zentralen in Essen und Mülheim können über längere Zeit Angebote unterhalb der Beschaffungsgrenze anbieten. Besonders bei Grundnahrungsmitteln wie Mehl, Zucker, Kaffee und Milch ist Aldi schon an beziehungsweise jenseits der
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