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Die Aldi-Welt

Die Aldi-Welt

Titel: Die Aldi-Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Hintermeier
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Kaufkraft einer Millionenkundschaft schwindet, desto deutlicher tritt hervor: Es gibt zuviel Läden – für zu wenige Kunden, die zu wenig Geld haben.
     
     
    HBV muß draußen warten
     
    Und wo bleibt bei all diesen Imponderabilien der rettende Reiter – die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen? Die Zeiten der Globalisierung sind nicht gerade goldene Zeiten in der ruhmreichen Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Die Unternehmen – Sozialpartner allesamt – sind schon zu angemattet (beziehungsweise zu naßforsch), um überhaupt noch lange die Arguments-Keule vom Abbau der Arbeitsplätze herauszuholen. Sie bauen die Arbeitsplätze einfach ab. Diese Frage stellt sich bei Aldi wohl nie in der Form, weil der Discounter im eigenen Haus durch stetiges Wachstum permanent neue Arbeitsplätze schuf. Aber das, wie bereits geschildert, auf so niedrigem Niveau, daß ein weiterer Abbau die Schließung der jeweiligen Filiale(n) bedeutet hätte – wovon noch nie die Rede war. Die Versuche der Gewerkschaft HBV, bei Aldi Fuß zu fassen, sind als Ganzes gesehen bislang ziemlich erfolglos geblieben; das liegt an den starren Hierarchien und am MbM (Management by Mißtrauen): Es sei kaum einer zu gewinnen, der Gewerkschaft beizutreten, berichtet ein frustrierter bayerischer Gewerkschaftsvertreter. Das liege auch daran, daß die Mitarbeiter regelrecht bedrängt werden, sich nicht gewerkschaftlich zu organisieren. Wenn es einmal einen gäbe, der sich für die Gründung eines Betriebsrates einsetze, sehe er sich immer vor dem Problem, ziemlich allein auf weiter Flur zu stehen, berichtet der HBV-Mann aus München weiter. So dringen aus den Betrieben kaum Nachrichten an die Außenwelt – so wie es der Schweigepolitik des Unternehmens entspricht.
    Der Westen und der Norden Deutschlands sind traditionell gewerkschaftlich besser organisiert. Die dortigen Gewerkschaftsvertreter kämpfen wenigstens nicht gegen Windmühlen: Sie kennen ihre Pappenheimer, haben sogar schon den Leibhaftigen, Theo Albrecht, herabsteigen sehen. »Ein ganz normaler Mann, spricht wie du und ich«, erinnert sich einer, der – gleichwohl er mehr als ein halbes Gewerkschafterleben gegen die Aldi-Machenschaften angegangen ist – sich einen gewissen Respekt nicht versagen kann. So, als sei es nichts Besonderes, einer Schimäre zu begegnen. Man habe sich sogar ganz normal mit ihm unterhalten können, angelegentlich einer Stippvisite in einer Berliner Verkaufsstelle – aber was haben die Nachgeborenen davon, die nicht mehr in den Genuß dieser direkten Rede kommen?
    Einmal hat sich sogar ein richtiger Bundesarbeitsminister hinter Aldi geklemmt. Herbert Ehrenberg in der Regentschaft von Helmut Schmidt war das. Der entsandte Boten, die prüfen sollten, inwieweit Aldi-Kassiererinnen unter dem altmodischen Kassensystem litten. Damals gab es noch keine Bänder für den Warentransport. Die Kassenfrauen mußten die Ware von einem vollen in einen leeren Einkaufswagen hieven – und bewegten auf diese Weise bis zu 5,5 Tonnen Material am Tag. Das entspricht mehr als 10000 Packungen Nudeln, ein stolzes Programm für jeden Bodybuilder und eine im Wortsinn so einseitige körperliche Betätigung, daß den Ärzten der Berufsgenossenschaft schwarz vor Augen wurde. Manchmal bewegt sich doch etwas: Aldi lenkte ein, installierte Warenbänder und umschiffte die Konfrontation.
    Und immer träumt die Gewerkschaft von einem Gesamtbetriebsrat. Aber wo kein Konzern, dort kein Konzernbetriebsrat. Vor gut 20 Jahren gab es im Nord-Imperium allerdings für wenige Monate ein solches Gremium. Doch dann erfolgte eine Umstrukturierung der Firmen, und Theo Albrecht ließ wissen, es könne nun kein Gesamtbetriebsrat mehr bestehen. Da fiel die Tür zu, und richtig aufgegangen ist sie bis heute nicht mehr.

Die Welt als Aldi und Vorstellung (II)
     
     
     
    Alles was recht ist, jetzt reiß dich zusammen. Mensch, du wolltest doch noch irgendwas aus der mittleren Reihe? Senf? Nein, bestimmt nicht. Nichts Niemand Nirgends Nie! Chips! Flips! Salzstangen! Nein. Nicht heimtragen. Dickmacher. Kein Knabberzeug. Ist immer so verflucht nahe am Ausgang postiert. Man sieht es noch, wenn man schon in der Warteschlange steht, überlegt: soll ich? – und hechtet dann doch hinüber, rafft ein, zwei Beutel hier, ein, zwei Beutel dort an sich, Ibu-Chips (noinunsechzich) und diese Salzstangen, die Niemals! Nie! mit den österreichischen Soletti konkurrieren können. Aber was soll der Vergleich, solange

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