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Die Aldi-Welt

Die Aldi-Welt

Titel: Die Aldi-Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Hintermeier
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bekannten Logo einhertrugen. Hat ja auch was, im Ausland stolz zu zeigen, wo man herkommt. Als nach einer Woche die Sintflut ein Ende nahm, galt an Strand und Pool der Wellfleischparade die Devise: An der Ombra-Sonnencreme (Pre-Sunshine, Sun Blocker oder Kindersonnenmilch) sollt ihr sie erkennen! Das war nicht weiter schwierig, weil der Türke sozusagen den Döner umgedreht hatte – und seine Heimat in einen Aldi-Feldversuch verwandelt hatte. In der orientalischen Tradition von 1001 Umnachtung offerierte beispielsweise eine mit Zeltplanen gedeckte offene Verkaufsstelle – sie trug das stolze Namensschild »Aldi Bazaar« – überwiegend textile Schnäppchen mit dem Hinweis: »Billiger als bei Aldi Neckermann Quelle & Otto.« Eine schlechte Kopie gewiß und kein Vergleich mit dem Schild eines Penny Markts, das sie im nahegelegenen ehemaligen Fischerdorf schamlos feilboten. Aber ein Besuch war sozusagen unumgänglich, ja zu einer heimatlichen Pflichtübung geworden. Das Angebot war eher monothematisch. Es bestand überwiegend aus unverhohlen schlampig kopierten Windjacken, Sweatshirts und Trainingshosen der Marken Calvin Klein, adidas, Windsurfing Chiemsee und O’Neill – hatte also mit dem originären Aldi-Angebot nichts zu tun. Wenn es bei Aldi jemals echten Calvin Klein zu kaufen gäbe, müßte man sich glatt Sorgen um den amerikanischen Couturier machen. Zumindest war der Schnäppchengedanke so geschickt an die türkische Riviera verpflanzt worden, daß es nicht lange beim Gedanken blieb: Der deutsche Urlauber griff beherzt zu, zu Preisen, die dem kritischen Aldi-Kunden die Schamröte ins Gesicht getrieben hätte. Keine zwei Tage nach Ankunft hatten sich die meisten Urlauber bereits willfährig in schockfarbene CK-Imitate gewandet, trugen Omas und Opas wie unter Zwang CK-Muskelhemden. Der typische Einheimische war, abgesehen vom Teint, meist an einem roten Baseball-Käppi mit der Aufschrift Öger Tours zu identifizieren. Er hatte damals die fixe Idee entwickelt, die deutsche Urlaubskarawane sei weniger von dem günstigen Bierpreis (teilweise offerierte der gewiefte Türke »ein halbes Kilo« schon für umgerechnet Einsfuchzig) angelockt worden, sondern von dem Bedürfnis, sich und den Seinen zu beweisen, daß das ganze Gerede von der Ausländerfeindlichkeit Kappes, Nonsens, Stuß sei: Wir haben doch gar nichts gegen Türken, sonst wären wir ja wohl nicht hier. Nachdem der Türke daheim zweifellos als Hauptfeind der Neonazis identifiziert worden war, war es höchste Zeit für alle aufrechten Demokraten, den angeblichen Feind durch einen Massenbesuch davon zu überzeugen, daß er a) durchaus weiter bei Aldi einkaufen durfte und daß sie ihm b) großzügig nachsahen, daß er sie im Gegenzug in getürkten Aldi-Märkten mit Plunder und Nippes abspeiste. Dieser Gnadenbeweis setzte eine ganze Küste in Lohn und Brot; auch wenn örtliche Reiseleiter mit gewohnter Manier für Regenfälle haftbar gemacht wurden. Wenn nicht aufhören Regen, Reiseleitung müssen unterschreiben! Das werden wir ja noch sehen! In Deutschland hatten die Türken einfach das Pech, zahlenmäßig die größte Ausländergruppe zu sein – und die optisch auffälligste. Ein Glück etwa für die vielen Österreicher, die sich geschickt getarnt als Reichsdeutsche im Piefke-Land verdingten und daheim in der Alpenrepublik zumindest touristisch auf den großen Nachbarn angewiesen waren. Als sie begannen, dies zu vergessen, und als ihre Klage über die verhaßten Deutschen zu laut wurde, blieben diese mal ein paar Saisons aus; nur um dann im Schatten des Oggersheimers wiederzukehren. Obwohl seiner Gattin ein paar einheimische Rotzlöffel den nackten Hintern hingehalten hatten – was zu einem Prozeß führte, der beinahe die Dimension eines Hochverrat-Schaulaufens hatte. Kohl blieb trotzdem, streichelte jedes Jahr ein anderes Alpen-Tamagotchi vor laufender Kamera und badete wie die meisten großen Vorsitzenden seinen Allerwertesten in den unschuldigen Fluten eines bis dahin unverdächtigen Gewässers. Man steigt niemals zweimal in denselben Fluß, glaubt der Philosoph, aber dutzende Male in denselben Wolfgangsee. Nebenbei: Ist es nicht zu pikant, daß Aldi im Land des Großen Braunen ausgerechnet auf den Namen des Tiroler Freiheitshelden Hof er hört? Jaja, das hatten wir schon, aber irgendwie ging ihm das nicht aus dem Kopf. Hatte immer dieses Bild vor Augen, dieses imaginäre Schild: Letzter Aldi vor der Schweiz.
     
     
    Wie war er jetzt wieder auf

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