Die Aldi-Welt
einen Kombi zu entwickeln. Reichtum ist immer eine Minderheitenerscheinung. Erst wenn der letzte Baum gefällt ist, werdet ihr begreifen, daß man von Aldi nicht leben kann. Hochgestochenes Zeuchs, natürlich kann man von Aldi leben, und zwar so gut, daß Onkel Mac und Tante Gerda sagen: Hätte es Aldi nicht gegeben, hätten wir das Haus nicht bauen können. Haus und fünf Kinder. Tante Gerda serviert immer noch Gouda von Aldi, riesige Brocken Gouda, es ist in Ordnung so, das Aldi-Fax ist zwar nicht richtig verkabelt, aber da kann das Fax nichts dafür. Tante Gerda mußte immer hungrige Mäuler stopfen. Oma brilliert mit fünf verschiedenen Feinschmecker-Senfgläsern, nicht von Aldi. Sie will da nicht hin, weil sie ihre Würde verteidigt. Geld ist nicht alles im Leben. Die Moser-Tante sagt, sie habe im Moment nur fünf Mark für Lebensmittel am Tag. Und in ihrem Aldi im Wedding habe ihr neulich eine knochenfingrige Alte ein Tiefkühlhuhn aus dem Einkaufswagen gezerrt, mit der Begründung, sie habe es nötiger. Die Moser-Tante studiert Kunstgeschichte, aber sie hat Aldi nötiger denn je, weil sie in der Prüfungsphase keine Zeit hat, nebenbei zu jobben. Kein Geld, geh zu Aldi. Lasset die Kinder zu mir kommen.
In einer andern Sternzeit, denkt er, wird ein Gott herniederfahren, und mit einem Donnerkeil in diese Filiale fahren. Er wird einen Meteoritenhagel niederprasseln lassen und uns alle, die wir verschwitzt und abgehetzt sind, geplagt von der Mühsal des Tages, mit einem Schlag in das Jenseits befördern. Dort werden wir uns wiederfinden in einer endlosen Schlange, die darauf wartet, vor den Thron des Allmächtigen zu treten. Zu seiner Linken aber sitzet Theo, und zu seiner Rechten Karl, beide in dunklen Anzügen mit Staubmänteln darüber, und Gott wird anheben zu sagen: »Zeige mir deinen Einkaufswagen, und ich sage dir, was dich erwartet. Und wenn dein Einkaufswagen weniger als 50 Euro ausmacht, wirst du Fegefeuer zu gewärtigen haben!«, und die Albrecht-Brüder werden mit einem schrillen Keckem ihre orangefarbenen Warentrennstäbe (für die es auch nach dem Jüngsten Gericht keinen Namen geben wird) aus den Staubmanteltaschen ziehen und dir damit den Scheitel polieren. »Doch siehe, wenn dein letzter Warenkorb die 100-Euro-Marke überschritten hat, wird deinem Antrag auf verkürztes Fegefeuer Rechnung getragen.« Und um dies mit einem amtlichen Prüfsiegel der »Stiftung Höllentest« zu zertifizieren, erhältst du nicht irgendeine CE-Prüfplakette, die womöglich Martin Bangemann unterzeichnet hat, sondern der Erzengel Gabriel tritt auf dich zu und spricht folgende verbindliche Worte: »Wir führen Buch und erleiden Verluste; wir ziehen die Summe und gehen vorüber, wir schließen die Bilanz, und der unsichtbare Saldo spricht immer gegen uns.« Aber bevor dich eine unsichtbare Donnerfaust vor den Augen des Allmächtigen hinwegfegt, geschieht etwas Absonderliches. Aus der Wolke zu Füßen der Beisitzer steigen Registrierkassen empor, und die Albrecht-Brüder beginnen in rasender Geschwindigkeit auf die Tasten einzuschlagen, eine Milliarde, zwei Milliarden, hörst du sie keuchen, und Gottvater sagt mit seiner Wolfgangseestimme: »Abba Bubb’n was solln dess, dreikommanull iss dreikommanull, die Geschichte wird uns rechtgeppn.« Aber die Buben hören nicht und steigern sich in eine Raserei, die himmlischen Heerscharen flattern immer aufgeregter, und in schrillem Discount gellt ein widerlicher Ruf: Ich glaube nicht, daß die, die damals gelacht haben, auch heute noch lachen. Die deutsche Discountidee wird… Preissenkung! Schweigen ist Gold! Gott informiert! Wer bei mir kauft, wird nicht allein sein bis ans Ende seiner Tage! Preissenkung! – Bis mit einem Mal, wie aus dem Nichts der Lagerhaltung kommend, Gottes Pressesprecher vor den Thron tritt und in betont sachlichem Tonfall in einen imaginären Strauß bunter Mikrofone spricht: »Aus grundsätzlichen Überlegungen wird keine Stellungsnahme abgegeben. Eine Dekoration wird nicht ausgeführt. Kein Kommentar. Schweigen ist Gold, meine Damen, meine Herren.« In diesem Moment erreichen die ersten Meteoriten die orangefarbenen Regale, nachdem sie die Mineralfaserdecke durchschlagen haben und Sekunden später auf die Konsumgüter niederregnen. In diesem, die Ewigkeit für einen Augenblick ironisierenden Moment erschallt die Stimme Gottes: »Ich habe es nicht gewollt!«
Jäh, so jäh wie eine Aldi-Kassiererin die zu entrichtende Summe bekanntgibt,
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