Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
und Holdseligkeit, welche mit dem gewöhnlichen Feuer der spanischen Schönen kontrastirt, aber mit der arglosen und vertrauensvollen Unschuld ihrer Sitten vollkommen übereinstimmt. Sie hat überdies die ganze eingeborne Geschicklichkeit und Gewandtheit ihrer bezaubernden Landsmänninnen und singt, tanzt, und spielt die Guitarre bewundernswürdig.
Der Graf gab wenige Tage nach seinem Einzuge in die Alhambra an seinem Namenstag ein kleines Fest, zu welchem er die Glieder seiner Familie und seines Haushalts um sich versammelte, während mehrere alte Diener von seinen entfernten Gütern kamen, um ihm ihre Verehrung zu beweisen und an dem guten Mahle Theil zu nehmen. Diesen patriarchalischen Geist, welcher den spanischen Adel zur Zeit seines Reichthums charakterisirte, hat mit ihrem Vermögen abgenommen; aber einige, die, wie der Graf, ihre alten Familiengüter noch besitzen, behalten ein wenig von der alten Sitte bei und lassen ihre Güter von der Nachkommenschaft müßiger Insassen überschwemmen und fast aufzehren. Zufolge dieser großartigen altspanischen Sitte, an welcher Edelmuth und Nationalstolz gleich Theil haben, wurde ein veralteter Diener nie entlassen, sondern erhielt eine Anstellung für seine übrige Lebenszeit; ja, seine Kinder und Kindeskinder, und oft seine Verwandten, links und rechts, fielen allmählich der Familie zu. Daher waren die großen Paläste des spanischen Adels, welche ein solches Aussehen von leerem Prunke haben, wenn man ihre Ausdehnung mit der Mittelmäßigkeit und Spärlichkeit der Möbel vergleicht, in den goldenen Tagen Spaniens den patriarchalischen Sitten ihrer Besitzer zufolge durchaus nothwendig. Sie waren wenig besser als große Kasernen für die erblichen Geschlechter von Anhängern, welche sich auf Kosten eines spanischen Edlen mästeten. Der würdige alte Graf, der in verschiedenen Theilen des Königreichs Güter hat, versicherte mich, daß manche derselben blos die Schaaren solcher dort eingenisteten Insassen ernährten, welche sich für berechtigt hielten, freie Wohnung auf dem Gute anzusprechen, weil es mit ihren Vorfahren seit mehreren Geschlechtern so gehalten worden.
Das Familien-Fest des Grafen unterbrach das gewöhnliche Still-Leben der Alhambra; Musik und Gelächter hallte in ihren sonst so stillen Sälen wieder; Gruppen von Gästen unterhielten sich auf den Galerien und in den Gärten, und geschäftige Diener ans der Stadt eilten durch die Höfe und trugen Gerichte in die alte Küche, welche wieder von den Tritten der Köche und Mägde lebendig ward und vom ungewohnten Feuer erglänzte.
Das Fest, denn ein vollständiges spanisches Mittagessen ist ein Fest, wurde in dem schönen maurischen Saal gegeben,
»La Sala de las dos Hermanas«
(Saal der zwei Schwestern) genannt; die Tafel dröhnte unter der Fülle der Speisen und eine fröhliche Geselligkeit herrschte um den Tisch; denn obgleich die Spanier gewöhnlich ein enthaltsames Volk sind, so sind sie doch bei einem Feste vollkommne Schmauser. Für mich selbst war etwas eigenthümlich Anziehendes darin, bei einem Mahle zu sitzen, das in den königlichen Sälen der Alhambra von dem Stellvertreter eines ihrer berühmtesten Eroberer gegeben wurde; denn der ehrwürdige Graf stammt, obgleich er selbst nicht kriegerischen Geistes ist, in grader Linie von dem »großen Feldherrn,« dem berühmten Gonsalvo de Cordova ab, dessen Schwert er in den Archiven seines Palastes zu Cordova aufbewahrt.
Als das Mahl geendigt war, begab sich die Gesellschaft in den Gesandtensaal. Hier trug jeder zur allgemeinen Unterhaltung bei, indem er irgend ein Talent geltend machte; Singen, Improvisiren, Erzählen wundervoller Geschichten oder Tanzen zu dem allum herrschenden Talisman spanischer Freude, der Guitarre.
Die Seele und der Zauber der ganzen Gesellschaft jedoch war die reichbegabte kleine Carmen. Sie übernahm eine Rolle in zwei oder drei Scenen aus spanischen Komödien und erwies ein hinreichendes dramatisches Talent; sie gab Nachahmungen beliebter italienischer Sängerinnen mit merkwürdigem und auffallendem Glück, und einer seltenen Schönheit der Stimme; sie ahmte die Dialecte, die Tänze und Balladen der Zigeuner und umwohnenden Landleute nach; that aber alles mit einer Leichtigkeit, einer Zierlichkeit, einer Anmuth und einer durchgehenden Niedlichkeit, welche vollkommen bezaubernd waren.
Jedoch der große Reiz ihrer Leistungen war ihr gänzliches Freiseyn von aller Anmaßung oder Ehrgeiz, sich zeigen zu wollen. Sie schien die
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