Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
dem letzten Rathgeber stets geleitet. Er unterdrückte sein Gähnen und lauschte geduldig den langen und gelehrten Reden Eben Bonabben’s, von welchem er ein wenig aus allen Zweigen des Wissens lernte und so sein zwanzigstes Jahr glücklich erreichte, ein Wunder prinzlicher Weisheit – allein mit der Liebe ganz unbekannt.
Um diese Zeit aber änderte sich das Benehmen des Prinzen. Er ließ seine Studien vollständig liegen und lief in dem Garten umher und saß nachdenkend an dem Rande der Brunnen. Unter seine verschiedene Befähigungen gehörte auch ein wenig Musik; sie nahm jetzt einen Theil seiner Zeit hin und eine Neigung für Poesie ward sichtbar. Der weise Eben Bonabben erschrack und bemühte sich, ihm diese müßigen Launen mit einem ernsten Vortrag über Algebra aus dem Kopfe zu bringen – allein der Prinz wandte sich mit Abscheu von dieser Wissenschaft. »Ich kann die Algebra nicht ausstehen,« sagte er: »sie ist mir ein Greuel. Ich muß etwas haben, das mir mehr zum Herzen spricht.«
Der weise Eben Bonabben schüttelte seinen trocknen Kopf bei diesen Worten. »Hier ist’s mit der Philosophie aus,« sagte er: »der Prinz hat entdeckt, daß er ein Herz hat. Er hielt seinen Zögling nun unter der sorgfältigsten Aufsicht und sah, daß die geheime Zärtlichkeit seines Herzens in Thätigkeit war und nur eines Gegenstandes bedurfte. Er wanderte in den Gärten des Generalife in einem Taumel der Gefühle umher, dessen Grund er nicht kannte. Zuweilen saß er in köstliche Träume verloren; dann pflegte er seine Laute zu ergreifen, und ihr die rührendsten Töne zu entlocken und dann warf er sie zur Seite und brach in Seufzer und Ausrufungen aus.
Stufenweise dehnte sich diese liebende Neigung auf unbelebte Gegenstände aus; er hatte seine Lieblingsblumen, die er mit zärtlichem Eifer pflegte; dann ward er manchfachen Bäumen zugethan und vorzüglich an einen von anmuthiger Form und schmachtendem Laub verschwendete er seine verliebte Inbrunst, indem er seinen Namen in seine Rinde schnitt, Blumen an seine Aeste hängte und zu seinem Lobe Lieder sang, die er mit seiner Harfe begleitete.
Der weise Eben Bonabben war über diesen aufgeregten Zustand seines Zöglings erschreckt. Er sah ihn an dem Rand des verbotenen Wissens – der kleinste Wink konnte ihm das unglückliche Geheimniß enthüllen. Das Wohl des Prinzen und die Sicherheit seines eigenen Kopfes machten ihn zittern und er eilte, ihn den Verführungen des Gartens zu entziehen und schloß ihn in den höchsten Thurm des Generalife ein. Dieser enthielt schöne Gemächer und hatte eine fast grenzenlose Aussicht, allein er lag weit über jener Atmosphäre der Schönen und jener bezaubernden Lauben, die den Gefühlen des allzu empfänglichen Ahmed so gefährlich waren.
Was war aber zu thun, um ihn mit diesem Zwange auszusöhnen und die trägen Stunden hinzubringen? Er hatte alle Arten angenehmer Kenntnisse erschöpft, und der Algebra durfte nicht erwähnt werden. Glücklicherweise war Eben Bonabben, als er in Aegypten reißte, in der Sprache der Vögel von einem jüdischen Rabbiner unterrichtet worden, welcher diese Wissenschaft in grader Linie von Salomon dem Weisen hatte, dem die Königin von Seba darin Unterricht gegeben hatte. Als eines solchen Studiums nur erwähnt wurde, funkelten die Augen des Prinzen vor Freude und er betrieb dasselbe mit einer solchen Wißbegier, daß er es so weit brachte, wie sein Lehrer.
Der Thurm des Generalife war fortan keine Einsamkeit mehr; er hatte Gefährten zur Hand, mit denen er verkehren konnte. Seine erste Bekanntschaft war ein Habicht, welcher sein Nest in einer Spalte der hohen Zinnen gebaut hatte, von wannen er weit und breit nach Beute ausflog. Der Prinz fand aber wenig oder nichts an ihm zu achten. Er war ein bloßer Pirate der Luft, großthuend und prahlerisch und sein Geschwätz drehte sich nur um Raub, Muth und verzweifelte Thaten.
Seine nächste Bekanntschaft war eine Eule, ein mächtig weise aussehender Vogel, mit einem großen Kopf und starren Augen, der den ganzen Tag blinzelnd und glotzend in einem Mauerloche saß, aber des Nachts ausflog. Er machte große Ansprüche auf Weisheit, sprach etwas über Astrologie und den Mond und ließ Winke über geheime Wissenschaften fallen; allein er war der Metaphysik schmählich ergeben und der Prinz fand sein Geschwätz noch langweiliger als das des Eben Bonabben.
Dann fand sich eine Fledermaus, die den ganzen Tag an ihren Beinen in der dunkeln Ecke eines Gewölbes
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