Die Alptraum-Frau
sie denn suizidgefährdet?« fragte Suko.
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich weiß auch nicht, ob die Leute leicht spinnen und sich etwas eingebildet haben. Kann es aber nicht so recht glauben, da es doch verschiedene Personen gewesen sind, die zudem unter unterschiedlichen Bedingungen lebten. Es sind auch nicht die Kollegen gewesen, die mich auf den Fall aufmerksam gemacht haben. Ich habe mit einigen Psychiatern und Ärzten gesprochen. Der Fall ist auch nicht neu. Er lag schon länger unbearbeitet auf meinem Schreibtisch, weil Sie einfach keine Zeit gehabt haben, sich um dieses Problem zu kümmern. Doch jetzt sollten Sie es tun.«
Unsere Gesichter zeigten keine große Begeisterung, denn das war ein Job, der uns nicht lag.
Sir James interpretierte unsere Reaktion genau richtig. »Man kann nicht immer nur die spektakulären Siege erringen wollen. Man muss auch mal Abstriche machen. Momentan hält sich die Gegnerschaft ja etwas in Grenzen, denke ich mir. Sie haben etwas Zeit und können sich deshalb besser um die Dinge kümmern.«
»Wie viele Personen sind es denn?« fragte ich nicht eben begeistert.
»Ich habe hier sieben Namen.«
Ich verdrehte die Augen. »Auch das noch.«
Sir James hatte seinen Spaß. »Sie kennen doch das Sprichwort. Ohne Fleiß kein Preis.«
»Auf diese Preise können wir verzichten.«
»Denken Sie immer daran, dass viele spektakuläre Fälle sehr oft klein angefangen haben. Was harmlos aussah, hat sich dann zu einem höllischen Desaster entwickelt. Ich wünsche es Ihnen nicht, denn auch Sie sollten es mal ruhiger angehen lassen.« Sir James erhob sich. Das Lächeln auf seinem Gesicht blieb, es sah ziemlich ironisch aus. »Dann wünsche ich Ihnen noch einen ereignisreichen Tag.«
»Danke, Sir, wir Ihnen auch.«
»Ich liebe diese Fälle«, sagte ich, als Sir James die Tür hinter sich geschlossen hatte. »Das macht mich so happy. Da könnte ich vor Freude jubeln.«
Suko ging nicht auf meine Bemerkung ein. Er deutete auf die Liste mit den Namen, die Sir James zurückgelassen hatte. »Willst du sie nicht nehmen?«
»Warum ich?«
»Warum nicht? Außerdem bist du näher dran und brauchst nicht einmal aufzustehen.«
»Fauler Sack.« Ich streckte Arm und Hand aus. Irgendwie war ich sauer. Dieser neue Auftrag ging mir quer. Da kam ich nicht mit zurecht.
Fahrerei und Lauferei. Mit Leuten sprechen, die sich wahrscheinlich etwas eingebildet hatten und sich jetzt wichtig machen wollten. Einen Zusammenhang mit den Fällen und Karas Warnung konnte ich mir nicht vorstellen. Das war nicht drin.
Ich las Suko die Namen vor. Drei Frauen und vier Männer. »Wo fangen wir an?«
»Nimm den ersten Namen.«
»Das ist eine Frau. Sie heißt Claudia Burns. Dahinter steht: ›Hat Stimme ihres verschwundenen Verlobten gehört.‹ Jetzt bist du an der Reihe.«
»Nein, wir beide. Fahren wir hin.«
Ich stand auf, schaute durch das Fenster, sah den trüben Tag und auch den leichten Regen. »Mir bleibt auch nichts erspart. Warum habe ich keinen Urlaub genommen, um auf die Osterinseln zu fliegen?«
»Kann ich dir sagen. Weil es dort keinen Flughafen gibt.«
Darauf bekam Suko keine Antwort von mir. Ich verdrehte nur die Augen.
***
Janine Calderon hatte an diesem trüben Tag länger geschlafen und sich zum Frühstück auch nicht umgezogen. Sie saß am Tisch und umklammerte mit beiden Händen den mit heißem Kaffee gefüllten Becher. Noch immer wusste sie nicht, wie sie sich verhalten sollte. Die Ehe mit ihrem Mann Ross war in die Brüche gegangen. Okay, das passierte in den besten Kreisen, so etwas hinterließ zwar immer Wunden, aber bei den meisten kam nicht so viel nach wie bei ihr. Es gab Ärger um ihren verschwundenen Mann.
Ross war weg. Einfach so. Von einem auf den anderen Tag gab es ihn nicht mehr. Er hatte sich zurückgezogen. Er war geflohen. Man hatte nichts mehr von ihm gehört. Nicht dass sie scharf darauf gewesen wäre, doch die Folgen seines Verschwindens hatte sie zu tragen. Ihr hingen die Gläubiger im Nacken. Ross hatte jede Menge Schulden hinterlassen.
Er hatte die Leute, die bei ihm Geld anlegten, reingelegt, aber er war nicht schlau genug gewesen. Man war ihm auf die Schliche gekommen, und die Schlinge hatte sich verdammt eng um seinen Hals gelegt.
Er hätte keine Chance mehr gehabt. Konnte aus dem eigenen Vermögen angeblich nichts mehr gutmachen, weil es nicht vorhanden war. Pleite, eine Riesenpleite. Er hätte für mindestens drei Jahre hinter Gitter gemusst. Dazu war es nicht
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