Die Alptraum-Frau
der Fliehkraft nichts entgegenzusetzen. Sie waren nicht mehr zu unterscheiden, hatten sich aufgelöst und waren eins mit der Spirale geworden.
Calderon saß da mit offenem Mund und staunte nur. Mehr konnte er nicht tun. Er fasste nichts, er begriff nichts, er sah nur diese sich um ihre eigene Achse drehende Spirale, die ihre Form änderte und sich immer mehr in die Länge zog, wobei sie dann einen Bogen bildete, der sich ihm entgegenneigte. Ähnlich wie der Schweif eines Meteors, der am Boden seine Basis hatte und auch dann schräg zur Decke hinzog.
Er konnte nur schauen. Ross bewegte sich nicht. Schon das erste Phänomen hatte er nicht begriffen, das zweite war für ihn ebenfalls nicht zu fassen.
Da hatte sich ein Mensch - falls es ein Mensch war - einfach aufgelöst.
Er war zu einer flirrenden und funkelnden Masse geworden, zu einem Staub.
Wahnsinn!
Ross Calderon wollte hochspringen, weglaufen, auch schreien, all das waren Vorsätze, und es blieb auch dabei. Er war nicht in der Lage, sie in die Tat umzusetzen. Das Phänomen hatte ihn fasziniert, und es faszinierte ihn auch weiterhin.
Gleichzeitig sorgte es bei ihm für eine tiefe Angst, denn sein Ziel war klar. Es blieb in dieser halbrunden Haltung, aber es beugte sich immer weiter vor, und die Spitze hatte ein neues Ziel anvisiert. Das war er, der auf dem Sessel saß.
Der Staub wirbelte auf ihn zu. Er schaute hinein in dieses Gleißen und Funkeln. Falls es überhaupt Staub war, denn ihm kam der Gedanke, dass es sich dabei auch um Licht handeln konnte.
Dann kippte die Spitze nach unten. Das passierte an einer bestimmten Stelle. Sie hatte sich über seinem Kopf befunden und fiel dann stark ab.
Ross Calderon wurde erwischt!
Kurz bevor dies passierte, hatte er seine Gedanken ausgeschaltet. Er wusste weder vor noch zurück. Es war einfach alles anders geworden.
Er konnte sich auch nicht wehren. Wie aus einem Kübel geschüttet, fiel das Licht über ihn hinweg. Es war nicht zu halten, es gab keine Grenze, kein Hindernis, und er konnte nichts anderes tun, als sich diesem Phänomen ergeben.
Calderon hatte seine Augen weit geöffnet. Den Grund wusste er selbst nicht. Er hatte es getan. Er war von diesem Licht oder auch Staub umspült und erlebte wenig später ein weiteres, das mit ihm selbst zu tun hatte.
Das Licht war nicht nur um ihn herum geblieben, es war auch in seinen Körper eingedrungen. Durch die Augen, den Mund, die Nase, die Poren. Alles in ihm war anders. Er spürte es in sich. Es tobte und toste.
Es brachte sein Inneres in Aufruhr. Das Blut veränderte sich. Es nahm Hitze an, es kochte. Ihm war heiß geworden, zugleich auch eiskalt. Zwei Gegensätze, die er nicht fassen konnte.
Aber er konnte noch sehen. Daran hinderte ihn dieses seltsame Licht nicht. Er hielt den Kopf gesenkt. Die Beine lagen in seinem direkten Blickfeld.
Beine? Es gab sie nicht mehr!
Die Entdeckung ließ das nackte Entsetzen zurück. Calderon musste mit ansehen, wie sich seine Beine auflösten. Es begann an den Füßen, es ging dann höher, immer höher. Plötzlich waren die Schienbeine weg, dann die Knie, es folgten die Oberschenkel, und das alles passierte, ohne dass er irgendwelche Schmerzen spürte.
Nur die Tatsache, dass er dabei war, sich aufzulösen, bereitete ihm dieses Entsetzen. Er konnte den Vorgang auch nicht stoppen. Das Licht oder der Staub verhielten sich wie eine Säure, die schnell, sehr schnell alles zerfraß, was in ihren Einflussbereich geriet.
Jetzt war auch der Bauch weg. Die Hose, sein Jackett, das Hemd, alles stellte für das gefräßige Licht kein Hindernis mehr dar.
Noch konnte er denken. Aber Ross Calderon fragte sich, was passieren würde, wenn das Licht seinen Kopf erreichte. War er dann auch noch in der Lage, einen Gedanken zu fassen? Recht glauben konnte er das nicht.
Es war einfach alles anders geworden. Sein Leben hatte die normale Bahn verlassen. Er würde auf eine besondere Art und Weise sterben.
Noch hatte das Licht seinen Kopf nicht erreicht. Es schlang aber weiter. Es holte sich seine Brust. Die Arme waren bis über die Ellenbogen hinweg auch verschwunden, und das Licht wanderte höher, immer höher, dem neuen Ziel entgegen.
Dann erreichte es den Hals. Ein Kältestoß erwischte ihn. Eine andere Kälte wie in einem normalen Winter. Sie war nicht zu beschreiben und wanderte blitzschnell höher. Erreicht die Kehle und dann auch seinen Mund.
Weiter - höher…
Der gesamte Kopf, das Gehirn, überhaupt das, was einen denkenden
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