Die Alptraum-Frau
grausilbriges Lametta, das an verschiedenen Stellen schimmerte, wenn Lichtstrahlen darauf fielen.
Ross Calderon kannte die Frau nicht, die jetzt mit weichen, federnden Schritten auf ihn zukam. Für ihn war sie etwas absolut Neues und zugleich eine Person, die seinen Willen, vom Leben in den Tod zu gehen, besiegt hatte.
Die Frau war schlank, ihre Hände mit den langen Fingern hingen locker herab. Sie hatte eine recht helle Haut, und ihre Pupillen waren ebenfalls außergewöhnlich. Sie blickten so klar wie Gletscherwasser, da war kaum ein Unterschied zwischen den Pupillen und der normalen Umgebung zu sehen.
Vor dem Schreibtisch blieb sie stehen und neigte den Kopf etwas vor.
Sie lächelte jetzt. Ihr Blick war dabei auf Ross Calderon gerichtet, der ihm nicht auswich, aber zugleich auch nicht in der Lage war, ein Wort zu sagen, geschweige denn, eine Frage zu stellen. Das war bei ihm nicht mehr möglich.
Die Waffe in seiner rechten Hand war ihm schwer geworden. Er schämte sich plötzlich, sie noch immer zu halten, und hätte sie am liebsten weggeworfen. Das wiederum brachte er auch nicht fertig. So blieb sie zusammen mit der Hand auf dem Oberschenkel liegen, wobei Calderon hoffte, dass sie von der Frau nicht gesehen worden war, weil die Schreibtischplatte die Sicht darauf verdeckte.
Fragen stürmten durch Calderons Kopf. Aber er war nicht in der Lage, auch nur eine zu stellen. Er wartete darauf, dass seine ihm unheimlich vorkommende Besucherin etwas sagte und wurde in dieser Hinsicht nicht enttäuscht.
»Du hast dich umbringen wollen?«
Ross Calderon lauschte dem Klang der Stimme. Sie gehörte einer Frau, das stand zweifelsfrei fest. Zugleich aber hatte sie etwas Besonderes an sich, das für Ross völlig neu war. Einen singenden Tonfall, ein leichtes Zittern und Vibrieren, als hätte kein Mensch gesprochen, sondern ein fernes Wesen. Er kam damit nicht zurecht und schüttelte leicht den Kopf.
»Warum hast du es tun wollen?«
Calderon hatte genau zugehört. Er hätte ihr jetzt tausend Gründe nennen können, war jedoch nicht in der Lage dazu. Er glaubte, einen Kloß in der Kehle zu haben, der erst weg musste, damit er überhaupt sprechen konnte. Deshalb schüttelte er nur den Kopf, aber auch das war nicht mehr als ein Ansatz.
»Man wirft sein Leben nicht so einfach weg. Dazu ist es zu kostbar. Du wolltest aus dem Diesseits ins Jenseits hinüberwechseln, und dabei hast du nicht daran gedacht, dass es noch andere Welten gibt als nur diese beiden. Du bist nicht schlau gewesen. Du hättest dich besser informieren sollen, Ross.«
Sie kennt meinen Namen! dachte Calderon. Sie weiß alles über mich.
Klar, sie hat auch viel wissen müssen, sonst wäre sie ja nicht zu mir ins Büro gekommen. Und sie hat gewusst, dass ich mir das Leben nehmen wollte, obgleich ich mit keinem anderen Menschen darüber gesprochen habe.
Dieser Gedanke bereitete ihm Unbehagen, das sich allmählich zu einer tiefen Furcht verdichtete. Er fragte sich, wie diese namenlose Person überhaupt in der Lage war, so etwas zu wissen. Das war schon unnatürlich und übermenschlich.
Übermenschlich…?
An diesem letzten Wort war er hängen geblieben. Er konnte sich das Erscheinen dieser Frau nicht rational erklären. Zwar war er nie jemand gewesen, der sich mit der Welt jenseits des Sicht- und Fassbaren beschäftigt hatte; er hatte auch nie an Geister oder ähnliche Wesen geglaubt, wobei er auch die Engel, die in letzter Zeit so Mode geworden waren, mit dazu zählte.
In dieser Nacht kam ihm die Besucherin vor wie kein normaler Mensch, obwohl sie so aussah.
»Ich… ich… sah keine Chance…« Plötzlich konnte er sprechen.
Calderon begleitete die Worte noch mit einer Bewegung, denn er hob den rechten Arm wieder an und legte die Waffe auf den Schreibtisch.
»Das gibt es nicht.«
»Doch!« stieß Calderon hervor und nickte dabei. »Für mich schon. Bei mir ist alles kaputt gewesen. Durcheinander. Ich befand mich im senkrechten Fall. Es ist alles vorbei. Ich habe es nicht mehr gekonnt. Ich hatte Fehler gemacht, und mein Leben ist völlig aus der Bahn gerissen und zerstört worden.«
»Es gibt immer Auswege!« flüsterte die Fremde ihm zu.
»Wie denn? Wen denn?«
Sie lächelte ihn an. »Mich, zum Beispiel.«
Calderon hatte sie sehr gut verstanden. Er konnte sich nicht verhört haben, doch er konnte und wollte ihr nicht glauben. Es war alles so anders bei ihm. Er hatte das Gefühl, durch diesen Besuch in ein neues Leben hineingedrängt worden zu
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