Die Alptraum-Frau
drehte sich an ihm, als wäre sie dabei, ein erotisches Vorspiel zu beginnen, was Ross in seiner Lage kaum begriff, wenn er daran dachte, dass er kurz zuvor noch vor einem Selbstmord gestanden hatte. Alles war jetzt anders. Er reagierte automatisch und schloss auch seine Arme um ihren Rücken.
»So ist es gut«, flüsterte sie ihm zu. »So ist es wunderbar.« Ihre Stimme hatte einen rauhen oder sogar leicht verruchten Klang bekommen, der den Mann noch stärker irritierte.
Mit sich selbst und der Situation kam er nicht mehr zurecht. Calderon hatte jetzt einen Punkt erreicht, bei dem er sich der anderen Person völlig hingab. Und so bewegte er auch seine Hände über ihren Rücken.
Er machte es ihr nach. Er spürte den Stoff des Kleides unter seinen Händen, wie er sich zusammendrückte, wie er in die Lücken seiner Finger hineinglitt, und er merkte auch den Gegendruck des Körpers. Die Weichheit der Haut, die selbst der Stoff nicht ändern konnte.
Weiche Haut? Ja, aber…
Seine Gedanken stockten. Er bewegte auch die Hände nicht mehr und wurde innerhalb der Umarmung steif. Etwas störte ihn schrecklich und passte einfach nicht zu dem, was er noch kurz zuvor erlebt hatte. Alles war ihm so fremd geworden. Diese Veränderung konnte er sich nicht erklären, was Urania allerdings nichts ausmachte. Sie bewegte sich nach wie vor an und bei ihm. Sie presste sich gegen seinen Körper. Sie rollte und kreiste mit dem Becken, und aus ihrem geöffneten Mund drangen immer wieder diese stöhnenden Laute.
Sie war scharf, geil! Sie wollte ihn und versuchte auch, ihre Hände zwischen die beiden Körper zu schieben, um sie an Calderons Bauch herab nach unten wandern zu lassen. Automatisch drückte auch er seine Hände gegen ihren Rücken, wo sich der Stoff und die Haut bewegten.
Haut?
Nein, um Himmels willen. Das war keine Haut mehr. Die Hände konnten den Stoff plötzlich hineindrücken, in den Leib hinein und in die Lücken, die sich zwischen den harten Knochen aufgetan hatten.
Knochen! Ein Gerippe!
Ross Calderon hätte schreien können. Er tat es nicht und hielt sich zurück. Er konnte das Gesicht der Frau nicht sehen. Das war für ihn auch nicht nötig, denn er wusste so Bescheid.
Er umarmte keine Frau mehr, sondern ein unter dem Stoff verborgenes Skelett…
***
Es gab noch jemanden, der in dieser Nacht noch nicht im Bett lag und schlief. Das war ich, und es ging mir nicht besonders, weil ich einfach zu viel gegessen und auch etwas getrunken hatte. Freiwillig-unfreiwillig, wie man so schön sagt, denn ich war auf einer Abschiedsfeier gewesen. Ein Kollege wurde versetzt in den Innendienst.
Seine neue Aufgabe lag im Ministerium, und er war durch diese Versetzung die Treppe ein Stück hinaufgefallen.
Ich gönnte es ihm, und ich hatte mir selbst einige dieser italienischen und so leckeren Häppchen gegönnt. Dazu hatte ich Rotwein getrunken.
Ein oder zwei Gläser mehr, als mir gut getan hätte, und so war eine entsprechende Bettschwere entstanden, die mich trotzdem keinen Schlaf finden ließ. Ich hatte das Gefühl, mein Bauch wäre um das Doppelte angeschwollen.
Ich hatte schon gelegen, war aber wieder aufgestanden und durch meine Wohnung getigert. Aus dem Kühlschrank hatte ich mir die Flasche Mineralwasser geholt, ein Glas leergetrunken, und danach hatte ich so richtig satt aufstoßen können.
Das Wasser zu trinken, war die ideale Hilfe gewesen. Mein Magen fühlte sich befreit, und überhaupt ging es mir besser, so dass ich mich wieder in mein Bett legte.
An Schlaf war wieder nicht zu denken. Ich lag da, ich wälzte mich, es gingen mir zahlreiche Gedanken durch den Kopf und der Abschiedsabend lief vor meinem geistigen Auge noch einmal ab.
Normalerweise passierte mir das nicht. Ich wunderte mich über mich selbst und schob die innerliche Unruhe nicht allein auf diese Feier zurück. Da musste noch etwas anderes sein, das mich einfach nicht in den Schlaf kommen ließ. Aber was?
Ich hatte das Gefühl, als wollte jemand anrufen. Oder mich besuchen?
Der Gedanke verdichtete sich immer mehr. Es war so etwas wie eine Ahnung, die sich im Laufe der nächsten Minuten tatsächlich bewahrheitete.
Ich blieb auch nicht mehr liegen, sondern setzte mich hin. Dem Magen ging es jetzt besser, ich war auch wieder klarer im Kopf geworden. Ich hatte demnach doch nicht soviel Rotwein getrunken.
Ich wartete. Über so etwas konnte ich selbst lachen, denn mir war nicht klar, worauf ich wartete. Ich ging nur nach meinem Gefühl. Es kam mir
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