Die Alptraumritter
töten wollten, töten mußten. Er fing an, sich auf die Auseinandersetzung vorzubereiten. Die Satteltaschen füllte er mit einigen Nahrungsmitteln, die vom Essen übriggeblieben waren. Er sah seine Waffen durch und die Schnallen der Sattelgurte. Er füllte an der Quelle die Wassersäcke Uinahos und Hrobons. Als er ins Zelt zurückkam, fragte Uinaho drängend:
»Alles bereit? Du wirst bei Sonnenaufgang aufbrechen?«
Arruf faßte nach dem Griff seines Schwertes.
»Nicht eine Stunde später. Elejid berichtete mir, daß wir vielleicht entlang der Mauer Siedlungen oder Lager von Flüchtlingen aus der Düsterwelt antreffen werden.«
»Das ist für dich unwichtig«, murmelte Hrobon zornig. »Sie werden dir nicht helfen!«
»Damit rechne ich auch nicht.« Arruf runzelte die Stirn und streckte sich auf dem schmalen Lager aus. »Ich muß mich zufriedengeben mit dem, was geschehen wird.«
Er hatte kein anderes Ziel. Sein Pfänder mußte gezwungen werden, ihm die Gewalt über die Augen zurückzugeben. Arruf ahnte seit langer Zeit, daß der Thron des Shallad nicht einen Schritt nähergekommen war, sondern sich wenigstens in der vergangen Zeit eher weiter von ihm entfernt hatte. Aber Schicksal und Glück waren unberechenbar und launenhaft, und was heute tödliche Gefahr bedeutete, konnte sich morgen in Nebel auflösen.
3.
Die Scheibe der Sonne verbarg sich hinter einem Ausläufer der Düsterzone. Es war, als erhebe sie sich hinter einer braunen Wolke versteckt, hinter der lodernde Speere, breite Glutbahnen nach Norden und in die Höhe Schossen. Arruf stand in den Steigbügeln und federte die Stöße des Pferdes mit den Knien ab. Das Tier war ausgeruht und tänzelte vor Kraft, er ließ es in einem leichten Trab gehen. Zwischen den Hügeln herrschten noch die nächtlichen Schatten. Hoch in der Luft zogen Schwärme von Vögeln kreuz und quer über die Steppen von Horien. Arruf hatte sich entschlossen, Necron den ersten Zug zu überlassen. Er beobachetete scharf, sein Blick tauchte in die Dunkelheit zwischen den Felsblöcken, versuchte, das Unterholz zu durchdringen, und musterte immer wieder den Turm, der sich langsam aus den Bodennebeln schälte.
Übergangslos wechselte das Bild.
Arruf sah sich selbst.
Er erblickte weit entfernt einen Mann auf einem Pferd. Der Krieger stand in den Steigbügeln, hin und wieder wirbelte einer der Hufe eine kleine Staubwolke hoch oder eine solche aus Sand, die mit dem fahlen Bodennebel verschmolz. Hinter dem einzelnen Reiter, dessen Burnus von seinen Schultern wehte und in langen Falten flatterte, erstreckten sich ein Hügel, einige Trümmerstücke der Mauer und die Spitzen der Zelte sowie die Lanzen, die senkrecht in die Höhe ragten. Die schmalen Wimpel, farbige Stoffetzen, ausgefranst und ausgebleicht, hingen schlaff von den Spitzen der Waffen. Die Schneiden der Lanzen, die herzförmigen Blätter, sie glänzten ein wenig im ersten Sonnenlicht. Der Blick des anderen ging von einem nicht sonderlich hohen Hügel abwärts. Der Reiter näherte sich dem Ort, an dem Necron stand, in gerader Linie.
Necron konnte sehen:
Über den aufgeregt spielenden Ohren des Pferdes eine leere Fläche. Leer? Sie war ausgefüllt mit Nebelschwaden, die wie waagrecht ausgebreitete Tücher über dem Boden lagen. Mit den Gewächsen und den Hängen der Hügel, von denen im Zentrum des Blickfelds einer besonders hoch aufragte. Auf diesem Hügel stand neben einem riesigen Baum eine einzelne Gestalt, ein Reiter auf einem Pferd. Er selbst, fast nicht genau zu sehen, weil er sich neben dem zerklüfteten Stamm des Baumes nicht bewegte. Der Baum selbst war blattlos und ohne Feuchtigkeit und reckte mächtige Äste nach allen Seiten. Sie waren leuchtend weiß, und als die Sonnenstrahlen sie trafen, wurde das Weiß zu schmerzender Grelle. Dann riß der doppelte Kontakt ab.
Arruf vergegenwärtigte sich das Bild und lachte rauh.
Sein Pfänder hatte nicht gesehen, daß Uinaho und Hrobon ihm folgten.
Uinaho war deshalb schwer zu entdecken, selbst von der Spitze eines Hügels aus, weil er sich bewußt in der Deckung von Bäumen und eingekerbten Taleinschnitten hielt. Er aber ließ die Spur Arrufs nicht aus den Augen. Sie führte durch taufeuchtes Gras und über trockenen Sand und blieb deshalb deutlich sichtbar.
Hrobon hingegen schlug einen riesigen Bogen ein und beschleunigte seinen Reitvogel. Er wich nach Norden aus, in die flache Steppenlandschaft und würde in der Nähe des Turmes wieder die Mauer berühren, aber er kam
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