Die Alptraumritter
diese Weise nicht besiegen lassen. Er blieb ihm nichts anderes übrig, als eine zweite Falle aufzubauen.
»Los! Weiter!« ächzte er und trieb das Pferd an.
Das Tier fiel aus dem Stand in einen harten Galopp. Necron lenkte es über den schmalen Pfad, den er entdeckt hatte, in die Richtung auf den Turm zu. Diesmal näherte er sich der Ruine von Westen, und er legte seine Spur so, daß Arruf verwirrt werden mußte.
Kurz vor dem höchsten Stand der Sonne erreichte Necron die Allee der Bildwerke. Er verhielt nicht, sondern hetzte das Tier geradeaus bis zu dem gähnenden Eingang des Turmes. Kurz davor riß er das Reittier herum und verschwand unter dem Schatten einer Reihe von dreimal mannshohen Säulenstümpfen. Die Hufe schlugen auf nacktem Stein auf, und auf diese Weise war es unmöglich, ihn zu verfolgen. Er wußte nicht, wie nahe Luxon schon an ihn herangekommen war.
*
Als Arruf den kühlenden Schatten des Baumgiganten verließ und sich langsam im Sattel drehte, glitten seine Augen über die veränderte Landschaft. Er hatte das vertraute Gebiet der Steppe und der Hügel hinter sich gelassen. Jetzt befand er sich eindeutig im Trümmerfeld der Mauer der Alten Welt.
Der Name, der wohl von den nomadisierenden Horiern stammte, war richtig. Überall lagen die riesigen Trümmer. Wieder ein Stück weiter verlief die Mauer scheinbar unbeschädigt. Dann fügten sich in ihre untersten Reste der massige Turm ein, auf dessen rechter Seite sich wiederum ein Trümmerfeld ausdehnte. Die Mauerkrone hob und senkte sich, den Linien des Bodens und den natürlichen Felsen folgend. Am Ende des sichtbaren Teiles erhob sich eine unregelmäßig gezackte Pyramide aus Steinwürfeln, wie das plumpe Spielzeug eines Gigantenkinds.
»Das muß wohl Ash’Caron sein«, brummte Arruf. »Die Stadt, in der Shaer O ’Ghallun residiert.«
Der Punkt, an dem der breite Trümmerstreifen, der stark bewachsen war – dort konnte sich Necron tausendmal verbergen –, mit dem Fuß der stumpfwinkligen Würfelpyramide zusammenlief, war etwa zwei Stunden langsamen Rittes entfernt.
»Dort werden wir uns alle treffen!« sagte sich Arruf und blickte sich nach Hrobon und Uinaho um. Sie waren nicht zu sehen. Sollte er zurückreiten? Er schränkte ein, daß der Heymal ein hervorragender Späher und Fährtenleser war und den Weg zu ihm, Arruf, nicht verlieren würde. Er hatte deutliche Spuren hinterlassen. Er hob die Schultern und ritt weiter. Über ihm zwitscherten unsichtbare Vögel. Ein Rudel Rotwild flüchtete aus dem Unterholz zwischen den Gesteinsbrocken. Nach kurzer Zeit fand Arruf die Spur des Alleshändlers wieder und folgte ihr.
Arruf erwartete jetzt eine Falle. Jeder Schritt des Pferdes konnte etwas auslösen, das dem einfallsreichen Verstand des Mannes aus der Düsterzone entsprungen war.
Zuerst ein Stück, auf dem das Gras hoch wuchs. Die Spur war so deutlich, als stünde an ihrem Ende Necron und winkte. Dann immer wieder Steine, halb eingesunken und fast bis zur Unkenntlichkeit, umwuchert. Es schlossen sich kleine, halbrunde Büsche mit weißen, ledrigen Blättern an, zwischen denen Dolden von purpurnen Früchten hingen. Arruf kannte sie nicht.
Eine Sandfläche breitete sich zwischen den Gewächsen aus.
Die Hufspur führte links an einem Säulenstumpf vorbei, der fast in der Mitte des Kreises halb aus dem weißen Sand ragte.
Arruf ritt auf der rechten Seite vorbei. Seine Ohren waren gespitzt, aber er vermochte kein warnendes, ungewohntes Geräusch zu hören. Auch die Ohren des Hengstes spielten aufgeregt. Dennoch war das Tier ruhig und folgte willig den Zügelhilfen.
Der Laut, mit dem Luxons Schwert aus der Scheide glitt, erschreckte eine Vielzahl kleiner Tiere, die raschelnd flüchteten.
»Wo bist du, Schurke?« flüsterte Arruf. Sollte er einen Blick durch des Gegners Augen riskieren? Sollte er nicht? Seit er den Schatten des siebenstämmigen Baumes verlassen hatte, wagte es Necron nicht, ihn erblinden zu lassen oder Arrufs Bilder zu sehen.
Kein Flüstern, kein Geräusch, nicht einmal ein verräterisches Knistern oder Knacken kam als Antwort aus der Zone, die aus hohen staubtrockenen Gräsern bestand und einzelnen Gruppen meist grüner Büsche, die einen krassen Gegensatz zum gelbbraunen Gras bildeten.
Arruf drängte das Tier zwischen die Grashalme und die spelzigen Kolben der ratternden Stabgewächse hinein. Die Brust des Hengstes teilte das fast mannshohe Gras wie der Bug eines Schiffes. Samenfäden lösten sich und trieben schräg
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