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Die alte Jungfer (German Edition)

Die alte Jungfer (German Edition)

Titel: Die alte Jungfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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angesehensten der Provinz. Obwohl sie bürgerlich war, verkehrte sie mit dem Adel, mit dem sie sich oft verbunden hatte. Sie hatte vormals den Ducs d'Alençon Intendanten, eine Menge Richter und dem Klerus mehrere Bischöfe geliefert. Monsieur de Sponde, der Großvater mütterlicherseits von Mademoiselle Cormon, war von Adel und Monsieur Cormon, ihr Vater, vom Dritten Stand in die Generalstände gewählt worden; aber keiner von beiden hatte diese Mission angenommen. Seit ungefähr hundert Jahren hatten sich die Mädchen mit Adligen der Provinz verheiratet, so daß in dem ganzen Herzogtum und in allen Stammbäumen Schößlinge dieser Familie zu finden waren. Keine bürgerliche Familie sah so nach Adel aus.
    Das Haus, in dem Mademoiselle Cormon wohnte, war unter Heinrich IV. von Pierre Cormon, dem Intendanten des letzten Duc d'Alençon, erbaut worden. Es hatte immer ihrer Familie gehört, und von allen ihren sichtbaren Besitztümern reizte dieser am meisten die Begierde ihrer beiden alten Bewerber. Weit davon entfernt, etwas einzubringen, verursachte dieser Wohnsitz große Ausgaben. Doch ist es so selten, in einer Provinzstadt eine Wohnung zu finden, die im Mittelpunkt liegt, keine unangenehme Nachbarschaft hat, von außen schön und im Innern bequem ist, daß ganz Alençon darauf neidisch war. Dieses alte vornehme Haus war gerade mitten in der Rue du Val-Noble gelegen, deren Namen in ›le Val-Noble‹ verunstaltet worden war, wahrscheinlich weil das kleine Flüßchen, die Brillante, das durch Alençon fließt, dort eine Vertiefung des Bodens hervorbringt. Es zeichnet sich durch die kräftige Architektur, die Maria von Medici bevorzugte, aus. Obwohl es aus Granit, einem schwer zu verarbeitenden Stein, gebaut ist, haben seine Ecken, Fenster- und Türumrahmungen vorspringende Verzierungen in Gestalt von romanischen Nagelköpfen. Es besteht aus dem Erdgeschoß und einem Stockwerk. Sein außergewöhnlich hohes Dach zeigt vorspringende Fensterkreuze, die ausgehauene Giebelfelder haben und recht elegant in die mit Blei ausgeschlagene Regentraufe eingefügt sind, welche außen mit Geländersäulen versehen ist. Zwischen je zwei Fensterkreuzen streckt sich eine Traufröhre in Gestalt eines phantastischen Tierrachens ohne Körper vor, der das Wasser auf große, mit fünf Löchern versehene Steine speit. Die beiden Giebel haben einen Blumenstrauß aus Blei auf ihrer Spitze, das Symbol des Bürgertums, denn nur die Adligen besaßen ehemals das Recht, ihren Giebel mit einem Wetterhahn zu krönen. An der rechten Hofseite sind die Wagenschuppen und die Stallungen, links die Küche, der Holzschuppen und das Waschhaus. Einer der oberen Flügel des Einfahrtstores pflegte offenzustehen, in dem unteren Teil war eine kleine, niedrige Tür mit einer Klingel und einer runden Öffnung angebracht, durch welche die Vorübergehenden in der Mitte eines geräumigen Hofes ein korbförmiges Blumenbeet sehen konnten, dessen aufgehäufelte Erde mit einer kleinen Ligusterhecke umgeben war. Einige Rosenstöcke, die das ganze Jahr hindurch blühten, Nelken, Skabiosen, Lilien und spanischer Ginster standen in dem Beet, um welches man in der warmen Jahreszeit Kästen mit Myrten, Lorbeer- und Granatbäumen herumstellte. Ein Fremder mußte nach der peinlichen Sauberkeit, die diesen Hof und seine Nebengebäude auszeichnete, ohne weiteres auf eine alte Jungfer als Besitzerin schließen; das Auge, das hierüber wachte, mußte, weniger aus Anlage als aus Betätigungsdrang, ein beschäftigungsloses, aufspürendes, konservierendes sein. Nur ein altes Fräulein, das seinen immer leeren Tag auszufüllen hatte, konnte dafür sorgen, daß das Gras zwischen den Pflastersteinen ausgerissen, die Bekrönung der Mauern gereinigt, daß ewig gefegt und gescheuert wurde und die Ledervorhänge der Remise immer geschlossen blieben. Sie allein war fähig, aus Mangel an Beschäftigung in eine kleine Provinzstadt zwischen dem Perche, der Bretagne und der Normandie, einem Landstrich, wo man stolz eine krasse Gleichgültigkeit gegen den Komfort zur Schau trägt, eine Art holländischer Sauberkeit einzuführen. Niemals stiegen der Chevalier de Valois und Du Bousquier die Stufen der doppelten Freitreppe hinauf, die die Plattform dieses Hauses einschloß, ohne daß der eine sich sagte: es sei eines Pairs von Frankreich würdig, und der andere: der Bürgermeister der Stadt müsse hier wohnen. Eine Glastür schloß diese Vortreppe ab, und durch sie gelangte man in ein von einer

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