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Die alte Jungfer (German Edition)

Die alte Jungfer (German Edition)

Titel: Die alte Jungfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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zweiten, ähnlichen Tür erhelltes Vorzimmer, das den Durchgang zu der Vortreppe des Gartens bildete. Diese Art Galerie, die mit roten Steinfliesen ausgelegt und in Manneshöhe getäfelt war, hatte man zum Spital der invaliden Familienporträts gemacht: bei einigen war das Auge verletzt, bei anderen die Schulter beschädigt worden; einer hielt seinen Hut in einer Hand, die nicht mehr da war, einem andern war ein Bein abgenommen worden. An diesem Ort legte man die Mäntel, die Galoschen, die Holzschuhe, die Regenschirme, die Hüte, die Pelze ab. Es war das Arsenal, wo jeder Stammgast bei seiner Ankunft sein Gepäck ließ und es beim Fortgehen wieder holte. Längs jeder Wand stand eine Bank für die Dienstboten, die mit Stocklaternen kamen, und ein großer Ofen, um den Zugwind zu bekämpfen, der aus dem Hof und dem Garten wehte. Das Haus war demnach in zwei gleiche Teile geteilt: auf der einen, der Hofseite, befand sich das Treppenhaus, ein großer, nach dem Garten zu gelegener Speisesaal, außerdem eine Anrichtekammer, die mit der Küche in Verbindung stand; auf der andern ein vierfenstriger Salon mit zwei angrenzenden kleineren Zimmern, von denen das eine, ein Boudoir, die Aussicht auf den Garten hatte, das andere, ein Arbeitszimmer, sein Licht vom Hofe empfing. Das erste Stockwerk bestand aus der vollständigen Wohnung, wie sie zu einem Haushalt gehört, und den Zimmern, die der alte Abbé de Sponde innehatte. Die Dachstuben mußten wohl seit langem die Unterkunft der Ratten und Mäuse sein, deren nächtliche Großtaten Mademoiselle Cormon, mit steter Verwunderung über die Nutzlosigkeit aller gegen sie gebrauchten Mittel, dem Chevalier de Valois berichtete. Der Garten, der ungefähr einen halben Morgen groß ist, wird von der Brillante begrenzt, so benannt wegen der Glimmerteilchen, die in ihrem Bette glänzen, das heißt überall sonst, bloß nicht in dem Val-Noble, wo ihr dürftiges Wasser von den Farbstoffen und dem Abfall der Industrien der Stadt verunreinigt wird. Das dem Garten Mademoiselle Cormons gegenüberliegende Ufer ist, wie in allen Provinzstädten, durch die ein Fluß geht, mit Häusern besetzt, wo Lärm erzeugende Berufe ausgeübt werden; doch zum Glück hatte sie derzeit nur ruhige Leute sich gegenüber, Kleinbürger, einen Bäcker, einen Fleckenreiniger, ein paar Kunsttischler. Dieser Garten voll gewöhnlicher Blumen endigt in einer Terrasse, die einen Kai bildet, von dem einige Stufen zur Brillante hinabführen. Auf dem Geländer der Terrasse denke man sich große blauweiße Steingutvasen, in denen Nelken blühen; rechts und links, die angrenzenden Mauern entlang, zwei quadratisch zugeschnittene Lindenlauben: und man hat einen Begriff von dieser Landschaft in ihrer züchtigen Behaglichkeit, ihrer ruhigen Einfachheit, mit der bescheidenen kleinstädtischen Ansicht, die das jenseitige Ufer und seine ärmlichen Häuser, das seichte Wasser der Brillante, der Garten und die an den benachbarten Mauern angebrachten Lauben samt dem ehrwürdigen Gebäude der Cormon darbot. Welch ein Friede! Welche Ruhe! Nichts Prunkhaftes, aber auch nichts Vergängliches. Da erscheint alles ewig. Das Erdgeschoß war also für den Empfang bestimmt. Alles atmete darin die alte, wandelbare Provinz. Der große viereckige Salon mit vier Türen und vier Fenstern war bescheiden mit grau bemaltem Täfelwerk bekleidet. Über dem Kamin hing ein länglicher Spiegel, dessen obere Partie den Tag von den Stunden geführt, grau in grau gemalt, darstellte. Diese Art Malerei verheerte alle; Gesimse über den Türen; hier wie in einem größten Teil der Häuser des mittleren Frankreichs hatte der Künstler diese ewigen Jahreszeiten verkörpert, die einem mit ihren schauderhaften mähenden, schlittschuhlaufenden, säenden, blumenstreuenden Amoretten so unerträglich sind. Jedes Fenster hatte Vorhänge aus grünem Damast, die von Schnüren mit großen Quasten hochgenommen waren und riesige Baldachine bildeten. Die Möbel mit Stickereibezug zeigten auf ihren bemalten und lackierten hölzernen Lehnen von verschnörkelter Form, wie sie im vorigen Jahrhundert Mode war, Medaillons mit den Fabeln von Lafontaine. Doch waren einige Stühle und Sessel am Rande gestopft. Die Decke war durch einen dicken Balken in zwei Hälften geteilt, von dessen Mitte ein alter, in einen grünen Bezug eingenähter Kronleuchter aus Bergkristall herabhing. Auf dem Kaminsims standen zwei blaue Sèvresvasen, alte Leuchter, die am Spiegel befestigt waren, und eine Uhr,

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