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Die alte Jungfer (German Edition)

Die alte Jungfer (German Edition)

Titel: Die alte Jungfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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betroffen war, zögerte, ihn anzunehmen. Der Kaiser sagte hierauf: ›Die Schönheit ist immer eine Königin!‹ Beachten Sie, daß es ein österreichischer Deutscher war«, fügte der Chevalier hinzu; »aber glauben Sie mir, Deutschland, das hier für sehr bäurisch gilt, ist ein Land voll noblen Rittertums und schöner Sitten, besonders gegen Polen und Ungarn zu, wo es ...«
    Hier unterbrach sich der Chevalier, da er befürchtete, in eine Anspielung auf sein persönliches Glück zu verfallen; er nahm nur seine Tabaksdose zur Hand und vertraute den Rest der Anekdote der Prinzessin an, die ihm seit sechsunddreißig Jahren zulächelte.
    »Dieser Ausspruch war sehr zartfühlend für Ludwig XV.«, bemerkte Du Ronceret.
    »Aber es handelt sich, glaube ich, hier doch um den Kaiser Joseph!« warf Mademoiselle Cormon mit vielwissender Miene ein.
    »Mademoiselle«, versetzte der Chevalier, als er sah, wie der Präsident, der Notar und der Hypothekenamtsvorsteher boshafte Blicke tauschten. »Madame Dubarry war die Suzanne Ludwigs XV., eine Tatsache, die uns Tunichtguten sehr wohl bekannt ist, die aber junge Damen nicht wissen dürfen. Ihre Unkenntnis beweist, daß Sie ein fleckenloser Diamant sind; die historischen Verderbtheiten reichen nicht zu Ihnen heran.«
    Der Abbé de Sponde blickte den Chevalier de Valois freundlich an und machte mit dem Kopf eine Bewegung lobender Zustimmung.
    »Mademoiselle kennt die Geschichte nicht?« fragte der Vorsteher des Hypothekenamts.
    »Wenn Sie Ludwig XV. und Suzanne durcheinanderbringen, wie soll ich Ihre Geschichte kennen?« erwiderte Mademoiselle Cormon mit engelgleicher Miene, froh, daß die Platte mit den Enten leer und die Unterhaltung wieder belebt war. Und abermals forderte ihre Bemerkung einen Heiterkeitsausbruch ihrer Gäste heraus. »Die arme Kleine!« sagte der Abbé de Sponde. »Wenn ein Unglück da ist, darf die christliche Liebe, die ein göttliches Gesetz und so blind wie die heidnische Liebe ist, sich nicht mehr um den Grund kümmern. Sie sind Vorsitzende des Mütterfürsorgevereins, liebe Nichte, man muß diesem armen Mädchen helfen, das sich nun schwer verheiraten wird.«
    »Armes Ding!« ließ sich Mademoiselle Cormon vernehmen.
    »Glauben Sie, daß Du Bousquier sie heiratet?« fragte der Gerichtspräsident.
    »Wenn er ein anständiger Kerl wäre, würde er es tun«, erwiderte Madame Granson; »aber wahrhaftig, ich glaube, mein Hund hat mehr Anstand ...«
    »Immerhin ist Azor ein großer Lieferant«, bemerkte der Vorsteher des Hypothekenamtes fein, der sich aus einem Kalauer ein Bonmot zu machen bemühte.
    Beim Dessert war wiederum die Rede von Du Bousquier, der zu allerlei lustigen Einfällen, die der Wein noch befeuerte, Veranlassung gab. Seine mutmaßliche Vaterschaft war der Ausgangspunkt einer Reihe von Wortspielen, deren Doppelsinn so angelegt war, daß alle Attribute, die man Du Bousquier irgend beilegen konnte, in ihrem Wortlaut komisch genug an die Vaterschaft erinnerten. Selbst der Abbé und der Chevalier, die Vertreter der Kirche und des Adels, stiegen, ohne ihre Würde abzulegen, in die Arena des Kalauers hinab. Als die allgemeine Teilnahme an dieser Belustigung ihren Gipfel erreicht hatte, rief der Vorsteher des Hypothekenamts: »Still! Ich höre Du Bousquiers Stulpenstiefel kommen, die gewiß mehr als je zuvor gestülpt sind.«
    Es ist fast immer so, daß ein Mann sich in Unkenntnis der Gerüchte befindet, die über ihn in Umlauf sind: eine ganze Stadt beschäftigt sich mit ihm, verleumdet ihn oder bringt ihn in Verruf; wenn er keine Freunde hat, wird er nichts davon erfahren. So kam es also, daß der unschuldige Du Bousquier, der Du Bousquier, der so gern schuldig gewesen wäre und wünschte, daß Suzanne nicht gelogen hätte, von nichts eine Ahnung hatte: niemand hatte ihm etwas von den Enthüllungen Suzannes gesagt, denn man hielt es für unpassend, ihn in einer Sache zu befragen, die sich um einen so heiklen Punkt drehte. Du Bousquier erschien also, als die Gesellschaft eben aus dem Speisesaal kam, um in dem Salon, wohin schon einige Leute für den Abend gekommen waren, den Kaffee zu nehmen, in einer sehr unternehmenden und ein wenig geckenhaften Haltung. Mademoiselle Cormon wagte in ihrer Verschämtheit den schrecklichen Verführer nicht anzublicken; sie hatte sich Athanases bemächtigt, dem sie eine Moralpredigt hielt und die schrecklichsten Gemeinplätze royalistischer Politik und religiöser Sittenlehre zum besten gab. Der arme Dichter, der nicht

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