Die alte Jungfer (German Edition)
wie der Chevalier de Valois eine mit einer Prinzessin geschmückte Tabaksdose besaß, um diese Salven von Dummheit besser aushalten zu können, hörte seiner Angebeteten mit blödem Schweigen zu und blickte auf ihre monströse Brust, die ihm in absoluter Ruhe, ein Urbild gewaltiger Massenentfaltung, entgegenstarrte. Seine Begierden erzeugten eine Art Rausch in ihm, der die dünne, helle Stimme von Mademoiselle in ein sanftes Gemurmel und ihre flachen Reden in geistvolle Aussprüche verwandelte.
Die Liebe ist ein Falschmünzer, der beständig aus plumpen Soustücken Louisdors und manchmal auch aus Louisdors Soustücke macht.
»Also Sie versprechen es mir, Athanase?«
Dieser Schlußsatz traf das Ohr des glücklichen jungen Mannes wie jene Geräusche, bei denen man jäh aus dem Schlafe auffährt.
»Was, Mademoiselle?« erwiderte er.
Mademoiselle Cormon stand stracks auf und sah Du Bousquier an, der in diesem Moment dem dicken Gotte der Fabel glich, den die Republik auf ihre Taler prägte; sie schritt auf Madame Granson zu und sagte ihr ins Ohr: »Meine arme Freundin, Ihr Sohn ist ein Idiot! Das Lyzeum ist sein Verhängnis gewesen.« Das sagte sie, da ihr einfiel, mit welcher Beharrlichkeit der Chevalier von der schlechten Erziehung in den Lyzeen gesprochen hatte.
Was für ein Schlag! Ohne es zu wissen, hatte der arme Athanase Gelegenheit gehabt, seine Brandfackel auf die Reiser im Herz des alten Mädchens zu schleudern; hätte er ihr zugehört, so hätte er ihr seine Leidenschaft begreiflich machen können, denn in der Erregtheit, in der sich Mademoiselle Cormon befand, hätte ein einziges Wort genügt; aber jene dumpfe Begierde, die ein Merkmal jugendlicher und wahrer Liebe ist, hatte ihn zugrunde gerichtet, so wie sich manchmal ein lebensvolles Kind aus Unwissenheit den Tod gibt.
»Was hast du denn zu Mademoiselle Cormon gesagt?« fragte Madame Granson ihren Sohn.
»Nichts.«
»Nichts! ... ich werde das aufklären!« sagte sie zu sich selbst mit der Absicht, die ernsten Angelegenheiten auf morgen zu schieben, denn da sie der Meinung war, daß Du Bousquier bei der Mademoiselle alles Ansehen verloren habe, legte sie diesem Wort keine Wichtigkeit bei.
Die vier Tische waren bald mit ihren sechzehn Spielern besetzt. Vier Personen saßen beim Pikett, dem teuersten Spiel, bei dem man viel Geld verlieren konnte. Monsieur Chesnel, der Prokurator des Königs und zwei Damen spielten im Kabinett mit den roten Lackarbeiten ein Tricktrack. Die Kerzen der Armleuchter wurden angezündet; dann verteilte sich die Zierde der Gesellschaft Mademoiselle Cormons auf den Sofas, um die Tische, vor dem Kamin, und jedes neu angekommene Paar richtete an Mademoiselle die Frage: »Sie fahren morgen nach Le Prebaudet?«
»Ich muß wohl«, erwiderte sie.
Die Herrin des Hauses schien ganz in Gedanken versunken zu sein. Madame Granson fiel der wenig natürliche Zustand des alten Mädchens zuerst auf: Mademoiselle Cormon war in Gedanken!
»Woran denken Sie, Cousine?« fragte sie sie endlich, als sie sie im Boudoir sitzend fand.
»Ich denke«, antwortete sie, »an das arme Mädchen. Bin ich nicht Vorsitzende des Mütterfürsorgevereins? Ich will Ihnen zehn Taler holen.«
»Zehn Taler!« rief Madame Granson aus; »Sie haben noch nie soviel gegeben.«
»Aber, meine Liebe, es ist so natürlich, Kinder zu haben.«
Dieser unmoralische, aus dem Herzen kommende Satz verblüffte die Schatzmeisterin des Mütterfürsorgevereins, Du Bousquier war augenscheinlich in der Achtung Mademoiselle Cormons gestiegen.
»Wahrhaftig«, sagte Madame Granson, »Du Bousquier ist nicht nur ein Ungeheuer, er ist ein Ehrloser! Wenn man ein Mädchen ins Gerede gebracht hat, muß man es nicht wenigstens schadlos halten? Wäre es nicht viel mehr seine Sache als die unsere, sich der Kleinen anzunehmen? Sie scheint mir übrigens eine recht üble Person zu sein, denn sie hätte noch einen andern als diesen zynischen Du Bousquier in Alençon gefunden, man muß doch sehr leichtfertig sein, sich an ihn zu wenden.«
»Zynisch! Sie lernen, scheint's, von Ihrem Sohn lateinische Wörter, die unverständlich sind! Ich will gewiß Monsieur Du Bousquier nicht entschuldigen: aber sagen Sie mir, wieso ein Mädchen leichtfertig ist, wenn es einen Mann dem andern vorzieht?«
»Liebe Cousine, nehmen wir an, Sie würden meinen Sohn Athanase heiraten, es wäre dies nur ganz natürlich: er ist jung und schön und hat eine große Zukunft, er wird der Ruhm Alençons werden. Doch alle
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