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Die alte Jungfer (German Edition)

Die alte Jungfer (German Edition)

Titel: Die alte Jungfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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davor, auf den Lippen des Monsieur de Troisville ein Lächeln der Verachtung für diesen Salon eines Bischofs zu sehn; sie fürchtete, er könne einen kalten Blick auf diesen altertümlichen Speisesaal werfen; kurzum, sie war bange, daß der Rahmen das Bild alt erscheinen lassen könne. Wenn diese Antiquitäten einen Widerschein des Alters auf sie würfen? Diese Frage, die sie sich vorlegte, verursachte ihr eine Gänsehaut. In diesem Augenblick hätte sie den vierten Teil ihres Vermögens hingegeben, wenn sie ihr Haus dadurch im Handumdrehen, mit einem Zauberstab hätte verwandeln können. Welcher General hat am Vorabend einer Schlacht nicht einen Schauder empfunden?' Die Arme stand zwischen einem Austerlitz und einem Waterloo.
    ›Madame la Vicomtesse de Troisville‹, sagte sie sich, ›wie schön das klingt! Unser Reichtum käme wenigstens in ein gutes Haus.‹
    Sie befand sich in solch gereiztem Zustand, daß die feinsten Fasern ihres Nervensystems und der Papillen, die so lange unter der Fleischesfülle vergraben und wie taub gewesen waren, erzitterten. All ihr Blut war, von der Erwartung aufgepeitscht, in Wallung. Sie fühlte die Kraft in sich, wenn es erforderlich wäre, mit Monsieur de Troisville ein Gespräch zu führen. Es ist überflüssig, von dem Eifer zu reden, mit dem sich Josette, Jacquelin, Mariette, Moreau und seine Gesellen betätigten. Es war die Geschäftigkeit von Ameisen, die um ihre Eier bemüht sind. Alles, was durch tägliche Sorgfalt so sauber war, wurde gescheuert, gebürstet, gewaschen, gebügelt. Das Geschirr, das nur bei festlichen Gelegenheiten gebraucht wurde, kam ans Tageslicht. Die damastenen, mit A, B, C, D numerierten Servietten wurden aus den Tiefen der Schränke, wo sie in einer dreifachen, mit fürchterlichen Stecknadelreihen versehenen Umhüllung lagen, hervorgeholt. Die kostbarsten Regale der »Bibliothek« wurden inspiziert. Mademoiselle opferte drei Flaschen der famosen Liköre von Madame Amphoux, der berühmtesten Destilliererin von jenseits des Meeres, eine Marke, die den Kennern teuer war. Dank der Opferbereitschaft ihrer Offiziere konnte sich Mademoiselle in den Kampf wagen. Die verschiedenen Waffen, die Möbel, die Küchengeschützwerke, das Rüstzeug der Speisekammer, die Lebensmittel, die Munition, die Reservekorps waren auf der ganzen Linie bereit. Jacquelin, Mariette und Josette erhielten den Befehl, sich in Gala zu werfen. Der Garten wurde geharkt. Das alte Mädchen bedauerte, daß es sich nicht mit den Nachtigallen im Garten ins Einvernehmen setzen konnte, damit sie ihre schönsten Triller zum besten gäben. Schließlich, um vier Uhr, um die Stunde, da der Abbé de Sponde nach Hause kam, wo Mademoiselle schon glaubte, daß sie umsonst ihr kokettestes Gedeck aufgelegt, ihr leckerstes Mahl bereitet hätte, ließ sich in Le Val-Noble das Horn eines Postillions vernehmen.
    »Er ist's!« sagte sie sich und empfand die Peitschenhiebe in ihrem Herzen.
    In der Tat hatte, durch so vielen Klatsch angekündigt, ein Kabriolett mit Postpferden, in dem ein einzelner Herr saß, solches Aufsehen gemacht, als es durch die Rue Saint-Blaise fuhr und in die Rue du Cours einbog, daß ein paar Schlingel und einige Erwachsene ihm gefolgt waren und vor der Tür des Hauses Cormon stehenblieben, um es einfahren zu sehn. Jacquelin, der seine eigene Heirat witterte, hatte das Posthorn in der Rue Saint-Blaise gehört und beide Torflügel geöffnet. Der Postillion, den er kannte, setzte seinen Stolz darein, gut anzufahren, und hielt gerade vor der Freitreppe. Es ist selbstverständlich, daß Jacquelin für einen tüchtigen Rausch des Postillions sorgte. Der Abbé ging seinem Gast entgegen, und mit einer Behendigkeit, wie sie Diebe nicht größer hätten entfalten können, wurde der Wagen seines Inhalts beraubt. Er kam in den Schuppen, das Tor wurde geschlossen, und jede Spur von der Ankunft Monsieur de Troisvilles war in wenigen Minuten weggewischt. Zwei chemische Substanzen können sich nicht rascher miteinander verbinden, als das Haus Cormon den Vicomte de Troisville in sich aufnahm. Mademoiselle, deren Herz wie das einer Eidechse, die ein Hirtenjunge eingefangen hat, schlug, blieb heroisch in ihrer Bergère neben dem Kamin sitzen. Josette öffnete die Tür, und der Vicomte de Troisville, von dem Abbé de Sponde gefolgt, zeigte sich den Blicken der Jungfer.
    »Liebe Nichte, dies ist Monsieur le Vicomte de Troisville, der Enkel eines Studienfreundes von mir. Monsieur de Troisville, das ist

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