Die alte Jungfer (German Edition)
übereinandergeworfene Gepäck und das sonderbare, fassungslose Aussehen Mademoiselles. Doch als Mariette auf den Markt kam, um alles einzuholen, als Jacquelin zu dem ersten Tapezierer Alençons, Rue de la Porte de Séez, zwei Schritte von der Kirche entfernt, kam, um dort ein Bett zu holen, knüpften sich daran die schwerwiegendsten Vermutungen. Man besprach dieses merkwürdige Vorkommnis auf dem Korso, auf der Promenade; es beschäftigte die ganze Stadt, selbst Mademoiselle Armande, bei der sich der Chevalier de Valois befand. Zwei Tage lang war die Stadt Alençon von diesen kapitalen Ereignissen auf den Kopf gestellt, so daß ein paar alte Frauen untereinander sagten: »Das ist ja das Ende der Welt,« In allen Häusern hieß es: »Was ist denn bei den Cormons los?« Der Abbé de Sponde, den man geradezu ausfragte, als er aus Saint-Léonard kam und sich zu einem Spaziergang auf dem Korso mit dem Abbé Couturier begab, antwortete in seiner gutmütigen Art, daß er den Vicomte de Troisville erwarte, einen Edelmann, der während der Emigration in russischen Diensten gestanden habe und jetzt nach Alençon ziehen wolle. Von zwei bis fünf Uhr lief in der Stadt ein mündlicher Telegraph und teilte allen Bewohnern mit, daß Mademoiselle Cormon endlich einen passenden Gatten gefunden habe und daß sie den Vicomte de Troisville heiraten würde. Hier sagte man: »Moreau macht schon das Bett.« Dort war das Bett sechs Fuß lang. Bei Madame Granson in der Rue de Bercail war das Bett vier Fuß lang. Bei Du Ronceret, wo Du Bousquier dinierte, war es nur ein einfaches Ruhebett. Unter den kleinen Bürgersleuten behauptete man, daß es elfhundert Francs koste. Allgemein hieß es; man solle den Tag nicht vor dem Abend loben. Ein Stück weiter weg wurde gesagt, die Karpfen seien teiltet geworden, Mariette habe sich auf den Markt gestürzt und alles ausgeplündert. Oben in der Rue Saint-Blaise wurde erzählt. Penelope sei krepiert. Dieser Todesfall wurde bei dem Obersteuereinnehmer in Zweifel gezogen. Auf der Präfektur jedoch stand fest, daß das Tier vor dem Tor des Hauses Cormon seinen Geist aufgegeben habe, so rasend sei Mademoiselle auf ihre Beute losgefahren. Der Sattler, der an der Ecke der Rue de Séez wohnte, war kühn genug, fragen zu kommen, ob an dem Wagen etwas passiert sei, um dabei zu hören, ob Penelope draufgegangen wäre. Von dem oberen Ende der Rue Saint-Blaise bis zum untern Ende der Rue du Bercail erfuhr man, daß Penelope, das schweigende Opfer der Raserei seiner Herrin, dank der Sorgfalt Jacquelins noch lebe, daß sie aber in einem schlimmen Zustand sei. Auf der ganzen Bretagner Straße war der Vicomte de Troisville ein Letztgeborener ohne Sou, denn die Besitzungen des Perche gehörten dem Marquis de Troisville, Pair von Frankreich, der zwei Kinder hatte. Diese Heirat war ein großes Glück für den armen Emigranten, der Vicomte war für Mademoiselle Cormon wie geschaffen; die Aristokratie der Bretagner Straße billigte diese Heirat, das alte Mädchen konnte sein Vermögen nicht besser verwenden. Jedoch in der Bourgeoisie war der Vicomte de Troisville ein russischer General, der gegen Frankreich gekämpft hatte und mit einem großen Vermögen, das er am Hofe von St. Petersburg erlangt hatte, zurückkam; er war ein ›Ausländer‹, einer von den Alliierten, die von den Liberalen gehaßt wurden. Der Abbé de Sponde hatte diese Heirat heimlich vermittelt. Alle, die das Recht hatten, bei Mademoiselle Cormon aus und ein zu gehn wie bei sich selbst, nahmen sich vor, sie am Abend zu besuchen. Während dieser die ganze Stadt durchzitternden Erregung, die Suzanne fast in Vergessenheit geraten ließ, war Mademoiselle Cormon nicht weniger in Unruhe; sie wurde von ganz neuen Gefühlen bestürmt. Als sie ihren Salon, ihr Boudoir, das Kabinett, den Speisesaal mit ihren Blicken prüfte, befiel sie eine unbekannte Angst. Eine Art böser Geist wollte ihr diese altgewohnte Pracht verhöhnen; die schönen Sachen, die sie seit ihrer Kindheit bewundert hatte, wurden mit Mißtrauen angesehen, kamen ihr auf einmal alt und abgenutzt vor. Kurzum, es bemächtigte sich ihrer die Furcht, wie sie über die Autoren kommt, die einem anspruchsvollen oder blasierten Kritiker das Werk vorlesen, das sie für vollkommen gehalten haben. Die Situationen scheinen althergebracht; die vorzüglichsten Wendungen werden hinkend und schief; die Bilder verzerren oder widersprechen sich, das Falsche springt ins Auge. So zitterte auch das arme Mädchen
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