Die alte Villa (German Edition)
Benediktinerinnen aufnahm und sie erhoffte sich, nun endlich den ersehnten Frieden zu finden, damit ihre geschundene Seele würde heilen können…
Mühsam erhob sich die Betende aus ihrer unbequemen knienden Haltung, blieb noch für wenige Minuten in der Bank sitzen, zog sich dann die Kapuze ihres Mantels wieder über den Kopf und begab sich zum Ausgang der kleinen Kapelle.
Die alte Holztür öffnete sich mit einem leisen Quietschen.
Die Nonne musste den großen Hof des Kinderheims überqueren und kam dann über ein paar Stufen zu dessen Haupteingang.
Ihr Zimmer befand sich im zweiten Stock des Hauptgebäudes. Mühselig machte sie sich an den Aufstieg. Es vergingen viele Minuten, bis sie die zahlreichen Stufen erklommen hatte.
Mit einem Seufzer öffnete sie ihre Zimmertür und machte Licht.
Sie erschrak ganz fürchterlich, denn dort am Fenster auf dem einzigen Stuhl, der sich in ihrer kleinen Stube befand, saß ein Mann!
Er drehte sich zu ihr um und erhob sich sogleich von seinem Stuhl. Vorzustellen brauchte er sich nicht, denn sie kannte ihn bereits nur zu gut.
„Entschuldigen Sie Schwester...“, sagte er. „...dass ich hier so eingedrungen bin, aber man sagte mir, dass Sie auf ihrem Zimmer wären und als ich Sie dann hier nicht vorfand, habe ich einfach gewartet.“
Sie schaute ihn gefasst an. Was wollte man nun schon wieder von ihr?
Ihr ganzes Leben lang hatte sie immer brav gemacht, was man von ihr verlangte. Niemals hatte sie aufbegehrt, hatte vielmehr ihre eigene Persönlichkeit geopfert für die Ideen von anderen.
Nein, rief eine Stimme in ihrem Inneren, Ich will nicht schon wieder etwas tun, was andere von mir verlangen, weil sie sich einen Nutzen davon versprechen .
Stumm blieb sie dort in der Zimmertür stehen und wartete.
„Ich bin auf der Suche nach einigen Papieren, - sehr wichtigen Papieren“, sagte ihr Gegenüber nun.
„Aber in der Verwaltung konnte man mir nichts darüber sagen. Da sie hier die dienstälteste Schwester sind, dachte ich, dass Sie mir vielleicht weiterhelfen könnten..“
Die Nonne blieb weiterhin stumm und antwortete nicht.
Der Mann schaute sie erwartungsvoll an.
„Ich habe keine Papiere!“ sagte sie plötzlich mit vor Wut zitternder Stimme. „Bitte gehen Sie jetzt!“
Der ungebetene Gast schaute verwundert, dann ging er ohne ein weiteres Wort an ihr vorbei und verließ eilig den Raum.
Erschöpft ließ sie sich auf ihr Bett sinken. Sie zitterte am ganzen Körper, denn es war das erste mal, seit sie in diesem Heim lebte, dass sie Worte, wie die soeben ausgesprochenen, gefunden hatte und sie hatte so eine ungute Ahnung, dass dies nicht ohne Konsequenzen bleiben würde.
Er würde sicher wiederkommen und versuchen, sie weiter mürbe zu machen. Aber sie wollte sich nicht länger quälen lassen. Von Menschen, denen sie nichts bedeutete!
Sie musste an Greta denken. Die hübsche kleine Greta! Wie sie damals völlig verstört in das Heim gekommen war.
Etwas krampfte sich in ihr zusammen bei diesen Gedanken. Sie konnte und wollte es nicht länger leugnen, dass sie mitschuldig war an dem Schicksal dieses Mädchens.
Ach was, sie war inzwischen kein Mädchen mehr und sie hatte gehört, dass sie wieder Kontakt zu Jeremy Schwabig hatte, ihrem Adoptivbruder.
Ihr eigenes Leben war verwirkt, das wusste sie, aber was war mit dem von Greta? Hätte sie noch eine Chance?
So eilig es ihr möglich war, begab sie sich zu ihrem Kleiderschrank und kniete sich davor auf den Boden.
Unter dem Schrank war nur etwa eine Handbreit Platz und sie langte mit der Hand in diesen Spalt. Eine Menge Staub kam zum Vorschein, aber daneben auch eine kleine Mappe.
Sie entfernte sorgfältig den Staub davon. Dann setzte sie sich erschöpft an ihren Schreibtisch und holte einen Briefbogen aus einer der Schubladen.
Sie begann zu schreiben. Als sie fertig war, faltete sie den Brief, der mehrere Seiten lang geworden war, sorgfältig zusammen, steckte ihn in die Mappe und verließ dann leise das Zimmer.
14. März 1980
Am nächsten Tag hatten sie schulfrei, weil die Lehrer ihren alljährlichen Wandertag veranstalteten. Das schöne Wetter mit den für die Jahreszeit ungewöhnlich hohen Temperaturen hielt weiterhin an und man konnte schon leicht bekleidet mit einem kurzärmeligen Pulli oder Shirt und ohne Jacke hinausgehen.
Rebecca wollte den freien Tag auf jeden Fall im Freien verbringen. Einfach raus an die frische Luft, den nahenden Frühling spüren und nach seinen
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