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Die Amazonen

Titel: Die Amazonen
Autoren: Hedwig Appelt
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Geschichten, in denen Alexander durch die ihm eigene Mischung von Intuition und Können eine Situation meisterte. Wie zum Beispiel die vom gordischen Knoten: In der Burg von Gordion stand ein Streitwagen, der noch aus der großen Zeit des phrygischen Reiches stammte. Ein unauflösbarer Knoten verband Joch und Deichsel. Viele hatten schon versucht, ihn zu entwirren, denn es hieß, dass derjenige, dem das gelänge, der neue Herr über ganz Asien sein werde. Als Alexander in Gordion eintraf und von dieser Prophezeiung hörte, zog er sein Schwert und durchtrennte den Knoten mit einem Hieb. Das war ganz nach dem Geschmack der Zuhörer, die immer neugieriger wurden und es kaum erwarten konnten, bis dieser Magier unter den Kriegsherren endlich eintreffen würde. Natürlich auf dem schwarzen |124| Hengst Bukephalos, den man allerorts bewunderte und kannte, wusste man doch, dass Alexanders Vater dieses Pferd geschenkt bekommen hatte, als Alexander noch ein Kind war.
    Bukephalos, der rabenschwarze, fast schon bläulich schimmernde Hengst, war so vollkommen wie die platonische Idee eines Pferdes. Er war als repräsentatives Reitpferd für König Philipp bestimmt gewesen, gleichzeitig sollte er als Vererber mit seinen Fähigkeiten und Anlagen die makedonische Pferdezucht bereichern. Der Hengst hatte nur einen entscheidenden Fehler: Er ließ sich nicht reiten. Jedes Mal, wenn Philipp oder einer seiner Bereiter es versuchten, scheute das Tier. Als der zwölfjährige Alexander einmal zusah, wie alle Bemühungen scheiterten, ging er auf den Hengst zu, beruhigte ihn, führte ihn einmal im Kreis herum und schwang sich ohne Probleme in den Sattel. Er hatte bemerkt, dass der Hengst lediglich vor dem eigenen Schatten scheute, und ihn deshalb gegen die Sonne gestellt. Philipp von Makedonien war so beeindruckt, dass er den Hengst seinem Sohn schenkte, der ihn über 20 Jahre lang ritt. Bukephalos war Zeit seines Lebens Alexanders bestes und liebstes Pferd, zu dem er eine innige Beziehung hatte. Der Reiter, der immer an der Spitze seiner Kavallerie ritt, liebte diesen Hengst, und das Pferd dankte ihm diese Liebe, indem es mutig, schnell und sicher seinen Reiter über die Schlachtfelder trug.
    Alle diese Geschichten kannte auch die Amazonenkönigin Thalestris. Und sie wusste mehr, als ihr zugetragen wurde, weil die Amazonen aufmerksam Alexanders Stern verfolgten, der in der gleichen Nacht aufgegangen war, in der ihrer zu verlöschen begonnen hatte. Thalestris war noch ein Kind, als sie von der Gleichzeitigkeit der Ereignisse erfuhr, und zum ersten Mal den Namen des Mannes hörte, der die anderen, lang verhassten wieder aufleben ließ: Herakles, Theseus, Achill.
    Alexander stammte in väterlicher Linie von Herakles ab und war stolz auf diese Herkunft, die für ihn auch eine große Verpflichtung bedeutete. Er war ehrgeizig und selbstsicher genug, |125| sich mit Herakles zu vergleichen und zu beschließen, dass seine Taten sich an denen des Urvaters messen lassen sollten. Aus diesem lebendigen Wechsel zwischen Konkurrieren und Nacheifern bezog er die Energie, die Rechtfertigung und den Glauben an seine Taten.
    All das traf auch auf den zweiten berühmten Verwandten zu: Achill. Er hatte die Familie gegründet, aus der Alexanders Mutter stammte, sodass der Sohn die Gene der zwei berühmtesten Helden der Vorzeit in sich vereinte.
    Tatsächlich bedeuteten für Alexander den Großen diese beiden Namen am Anfang seiner Familiengeschichte nicht etwa symbolische, sondern ganz reale Größen. Ihr Blut floss in seinen Adern und berechtigte ihn, sich selbst als einen Zeus-Sohn zu bezeichnen, so wie Herakles es gewesen war. An Achill erinnerte er, indem er die Eroberung Asiens in seinem Namen begann. Noch vom Schiff aus schleuderte er einen Speer auf den fremden Boden, um das Land als ein durch Krieg zu eroberndes zu kennzeichnen – so wie sein Vorfahr es getan hatte. Indem er beim ersten Schritt auf das neue Territorium sozusagen in Achills Fußstapfen trat, machte er deutlich, welche Taten er hier zu wiederholen gedachte. Und er unterstrich sein Vorhaben dadurch, dass er als Erstes den Ort, an dem einst Troja stand, besuchte und hier, wo auch Achills Grab liegen musste, Opfergaben darbrachte als symbolisches Zeichen für einen lebendig verstandenen Bezug zum Mythos.

    Genau diese verwandtschaftliche Beziehung war für die Amazonenkönigin Thalestris entscheidend. Sie erinnerte sich gut an die Geschichten, die mit den Namen dieser Helden verknüpft waren,
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