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Die Amazonen

Titel: Die Amazonen
Autoren: Hedwig Appelt
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hatte die Hoffnung, sie im Landesinneren zu finden.
    Die Fabel von El Dorado kursierte seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts, als große Expeditionen zum Ostteil der Anden durchgeführt wurden. Gonzalo Pizarro hielt schon 1539 Ausschau nach einem mächtigen Fürsten, von dem das Gerücht ging, er lebe in einem Land mit unermesslich großen Goldvorkommen und zeige sich bei öffentlichen Feiern vollständig von Goldstaub bepudert, sodass er aussehe wie eine Statue aus Gold. Ursprünglich nannte man ihn „el dorado“, was übersetzt „der Vergoldete“ heißt, doch bald wurde der Begriff ausgedehnt auf ein ganzes Land mit einer goldenen Hauptstadt, erbaut auf einem gewaltigen See und umgeben von Bergen, die angeblich so viel Gold und Edelsteine in sich bargen, dass sie in blendendem Glanz erstrahlten.
    Pizarro zur Seite stand sein Vetter, der spanische Offizier Francisco de Orellana. Als Chronist der Reise begleitete der Dominikanerpater Gaspar de Carvajal die Expedition. Ihr gehörten weitere 350 Spanier an, davon 200 Reiter und 150 Fußsoldaten, sowie 4 000 Indianer als Lastenträger. 2 000 Bluthunde wurden zum Schutz gegen die Eingeborenen mitgenommen, dazu 2 000 Lamas und ebenso viele Schweine als lebender Proviant.
    Die Expedition startete in Quito, Ecuador. Gleich zu Beginn der Reise gab es ein Erdbeben, Schlammlawinen rissen Hänge samt Bäumen mit sich, und vor den Augen der Männer versank ein ganzes Indianerdorf. Quälend langsam erreichte man die eisigen Höhen der Anden, bei deren Überquerung die Ersten erfroren. Der Abstieg in den feuchtheißen Dschungel bedeutete keine Erleichterung, sondern das andere Extrem an Belastung. Die Hochland-Indianer waren an dieses Klima nicht gewöhnt und starben zu Hunderten. Pizarro, maßlos enttäuscht darüber, dass er nach |140| wochenlangem Marsch weder auf Zimt noch Gold gestoßen war, trieb die erschöpften Träger vorwärts. Als sie nicht mehr konnten, hetzte er Bluthunde auf sie und ließ anschließend diejenigen, die das Gemetzel überlebt hatten, bei lebendigem Leib verbrennen. Doch seine Hoffnung, nach dieser Demonstration der Grausamkeit schneller ans Ziel zu kommen, trog. Der Tod dezimierte die Zahl der Expeditionsteilnehmer mit jedem Tag. Das mörderische Klima, die Unkenntnis des Dschungels und seiner Gefahren sowie die vielen Flussüberquerungen, bei denen die Träger vom Gewicht ihrer Last unter Wasser gedrückt wurden und ertranken, machte die stattliche Expedition peu à peu zu einem Zug der Verlorenen. Der Regen ließ die Hemden der Ritter unter ihren Rüstungen faulen, und die Männer hungerten inmitten der üppigen tropischen Vegetation. Die mitgebrachten Lebensmittel verdarben im Regen, Schweine und Lamas waren bereits verzehrt, und auch die Überfälle auf Indianerdörfer brachten nicht genug ein, sodass sie begannen, ihre Hunde und Pferde zu schlachten. Danach blieben nur noch Schlangen und Molche, Wurzeln, Blätter und unbekannte Früchte. Jede Mahlzeit war eine Art russisches Roulette, weil keiner wusste, was giftig oder genießbar war.

    Aus den Eroberern waren vom Dschungel Eroberte geworden, die längst aufgehört hatten, ihre vielen Toten zu begraben. Fast ein Jahr lang irrten sie schon durch die Wildnis, immer wieder hieß es, Zimt und Gold warteten hinter dem nächsten Stück Urwald, der nächsten Biegung des Flusses. Und immer noch befand sich die Expedition erst östlich der Anden am Oberlauf des Napo.
    Angesichts dieser aussichtslosen Lage entschied sich Pizarro, die Expedition auf dem Wasserweg voranzubringen. Ein Schiff könnte die Transportprobleme lösen, die durch den Verlust von Trägern und Lasttieren entstanden waren. Gleichzeitig würde es vor Indianerangriffen schützen. So begannen die Männer mitten im Dschungel mit dem Schiffbau, brannten Kohle und schmiedeten Eisen, benutzten die Nägel und Nieten aus den Hufeisen der |141| geschlachteten Pferde zum Befestigen der Planken, verwendeten Baumgummi statt Teer, als Werg die zerschlissenen Hemden und Ponchos.
    Als das Schiff, die San Pedro, fertig war, passten nicht alle hinein, sodass sich ein Teil der Expedition am Ufer entlang weiter einen Weg durch den Dschungel bahnen musste. Und wieder ging es nur quälend langsam vorwärts, weil das Schiff ständig auf den Fußtrupp warten musste.
    Da fassten Pizarro und Orellana den Entschluss, sich zu trennen. Orellana sollte mit einigen wenigen Männern den Fluss hinunterfahren, Nahrungsvorräte an Bord nehmen, zuverlässige
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