Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Amazonen

Titel: Die Amazonen
Autoren: Hedwig Appelt
Vom Netzwerk:
war, den gleichen Weg durch den Dschungel und über die Anden nach Quito zurückgeführt.
    Obwohl die Rückkehrer als Helden gefeiert wurden und Orellana riesige Gebiete des Amazonas offiziell zugesprochen bekam, war die Expedition letzten Endes gescheitert. Sie hatte weder die |146| Zimtwälder entdeckt noch El Dorado, das Goldland. Dafür aber die Amazonen.
    Carvajals Beschreibung ihres Kampfes und seine Schilderung der Lebensweise dieser Frauen führten in Europa zu einer lebhaften Kontroverse über den Wahrheitsgehalt dieses Berichtes. Er fand Anhänger und Gegner, man arbeitete neue Landkarten aus und trug den Namen „Amazonas“ östlich des Zusammenflusses mit dem Rio Negro ein – dort, wo die Begegnung mit den Amazonen stattgefunden haben sollte. Es dauerte nicht lange, bis der Fluss endgültig nach den Amazonen benannt war.

    Kein Europäer bekam sie jemals mehr zu Gesicht, aber die Reisenden im Amazonasgebiet hörten von der einheimischen Bevölkerung immer wieder die gleichen spektakulären Geschichten über sie. Vielleicht machten sich die Eingeborenen einen Spaß daraus, vielleicht erzählten sie den Weißen einfach gern, was diese hören wollten, und hofften, für ihre Erzählungen mit Geschenken belohnt zu werden, vielleicht waren all diese Geschichten aber auch wahr. Lange Zeit wurden Passagen aus Carvajals Tagebuch angezweifelt, in denen er von Silberschmuck und feinen Töpferwaren berichtet, von kunstvoll geschnitzten kultischen Gegenständen, kilometerlangen Siedlungen, Städten, die weiß und verheißungsvoll in der Ferne glitzerten. Jahrhunderte später vermuten Wissenschaftler, dass es auch im Amazonasbecken einst große, komplexe Staatswesen gegeben hat, vergleichbar mit denen der Inka und Azteken.

    Zu denen, die auf den Spuren Orellanas den Amazonas bereisten, gehörte Sir Walther Raleigh, ein Goldsucher, der sich 1595 mit dem sicheren Gefühl einschiffte, El Dorado in Guyana zu finden und für das englische Territorium zu gewinnen. Ihre Majestät, Königin Elisabeth von England, begrüßte diese Reise als Möglichkeit, den Spaniern im Konkurrenzkampf um die Kolonien eine empfindliche Niederlage zu bereiten.
    |147| In seinem Bericht über das Gold aus Guyana nennt Sir Raleigh zunächst die Namen all derer, die mit ihren Expeditionen gescheitert waren, weil sie entweder das Gold nicht fanden oder es wieder verloren. Die Gründe waren vielfältig – der Dschungel, die Flüsse, die Regenzeiten und vor allem: die Amazonen, die „grausam und blutrünstig sind, besonders denen gegenüber, die in ihr Land einzudringen drohen“.
    Nach seinen Informationen lebten sie südlich von Guyana. Im April jeden Jahres trafen sie sich mit Männern und feierten dieses Zusammensein einen ganzen Monat lang. Alle Könige der Nachbarländer hatten sich bei den Königinnen der Amazonen eingefunden, und jede wählte ihren Partner aus. Die restlichen Männer wurden den Amazonen zugelost. Wenn nach neun Monaten ein Sohn zur Welt kam, schickten die Frauen ihn zu seinem Vater zurück, die Töchter behielten sie bei sich.
    Raleigh ergänzte seine Ausführungen um ein Detail, das eine Verbindung zwischen den Amazonen und El Dorado herstellt: Die Frauen sollen eigentümliche grüne Steine besessen haben, die bei der indigenen Bevölkerung so begehrt waren, dass die Kriegerinnen im Tausch dafür riesige Goldschätze bekommen haben. Jeder König der angrenzenden Stämme wollte mindestens einen dieser als unglaublich kostbar erachteten „Amazonensteine“ besitzen, der dann meist von einer seiner Frauen getragen wurde.

    Sir Walther Raleigh hat El Dorado nie gesehen, denn die Amazonen verweigerten ihm den Zutritt. „Guyana ist ein Land, das seine Jungfräulichkeit bewahrt hat“, muss Raleigh konstatieren.
    Aber statt zu kapitulieren, schmiedete er einen grandiosen Plan: Wenn die Amazonen niemanden in ihr Land ließen, konnten auch die Spanier nicht hinein. Und gegenüber den Spaniern, die ihre Männlichkeit als Grausamkeit unter Beweis stellten und damit den Hass der Ureinwohner auf sich zogen, hatten die Engländer einen entscheidenden Vorteil: Unter seiner Führung, berichtet Raleigh der Königin, wären die Engländer wie Gentlemen |148| aufgetreten. Auf sein Geheiß hin hätte sich keiner der Männer an den indigenen Frauen vergriffen. Nun legten sie die Zähmung der widerspenstigen Wilden in die Hände der kultivierten Jungfrau Elisabeth. Er selbst habe die Vorarbeit dazu geleistet, indem er Berichte über die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher