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Die Amazonen

Titel: Die Amazonen
Autoren: Hedwig Appelt
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handelte, die jedoch nicht auf dem Seeweg, sondern über eine Landbrücke zwischen Asien und dem neuen Kontinent eingewandert sein mussten. Die langen Wanderungen zu ihren neuen Siedlungsgebieten waren, seiner Meinung nach, der Grund für ihre rückständige Entwicklung. Je länger diese Reisen zurücklagen, desto mehr Zeit hatte ein Volk für kulturelle Belange. So erklärten sich auch die Unterschiede zwischen den hoch entwickelten und den als barbarisch erachteten Stämmen.
    Die Neue Welt verlangte also förmlich nach der Besiedelung durch die Amazonen. Viele reisende Europäer wollen sie gesehen oder von ihnen gehört haben, manche erläutern, warum sie nichts von ihnen gesehen und gehört haben – in jedem Fall ist es eine lebhafte Diskussion, die den Lesern in Europa die Geschichten der Amazonen nahebringt, die in Literatur und Musik ihren Widerhall finden.
    Vor allem aber bleiben sie präsent im Gedächtnis der Menschen durch den Namen, den sie dem mächtigsten Fluss der Erde gegeben haben.

|151| Die Amazonen von Dahomey
    Vorweg gesagt: Die Amazonen von Dahomey waren keine „echten“ Amazonen, denn als Eliteeinheiten der Könige im westafrikanischen Dahomey dienten sie einem Mann, was Amazonen niemals tun würden. Trotzdem haben sie unser heutiges Bild von ihnen so stark geprägt, dass sie Teil ihrer Geschichte geworden sind. Ein Grund dafür liegt auf der Hand: Die afrikanischen Kriegerinnen gab es wirklich, schriftliche Berichte über ihre Existenz konnten durch das neue Medium Fotografie beglaubigt werden, und sie erschienen sogar leibhaftig in Europa. Hier wurden sie zu wahren „Volks-Amazonen“, die quer durch alle Bevölkerungsschichten die Menschen faszinierten, während die antiken und südamerikanischen doch vorwiegend ein Sujet der lesekundigen und bildungsorientierten Schichten blieben. Die Amazonen von Dahomey dagegen stellten eine Attraktion für jedermann dar, und es gab tumultartige Szenen, als am 15. November 1892 eine der Letzten von ihnen, die junge Cula, auf dem Münchener Südfriedhof beigesetzt wurde.
    Dieses bizarre Schauspiel sollte der Schlusspunkt eines Kapitels sein, das im Afrika des 16. Jahrhunderts begann:
    Königliche Brüder streiten um die Macht. Der eine tötet seinen Rivalen namens Dan und errichtet auf dessen Grab einen neuen |152| Palast. Dahome oder Danhome, wie das neue Reich auch genannt wird, bedeutet „auf dem Leib, der Leiche von Dan“. Ein Gründungsmythos, der seinen Schatten vorauswirft: Zwischen dem 16. und der Mitte des 19. Jahrhunderts war Dahomey ein Zentrum des transatlantischen Sklavenhandels. Viele Transporte gingen von der Küste Dahomeys aus, die heute noch Sklavenküste heißt. Über elf Millionen Afrikaner wurden nach Amerika und Europa verschleppt, bei der Menschenjagd, der Überfahrt, in den Kriegen und auf der Flucht starben wahrscheinlich noch einmal so viele.
    Dahomey war ein extrem kriegerisches Land, das mit Menschen nicht nur Handel trieb, sondern sie auch zum eigenen Gebrauch jagte. Das Ansehen der königlichen Dynastie hing von der personellen Größe der Palastgesellschaft ab. Je mehr Personen das waren, desto mehr Prestige hatte das Königshaus.
    Die militärische Ausrichtung Dahomeys mit seiner straff organisierten und gedrillten Armee brachte dem Königreich bald den Beinamen „Schwarzes Sparta“ oder „Preußen Westafrikas“ ein. Parallel zum männlichen Heer unterhielt der König ein strikt auf ihn verpflichtetes, weibliches Elitecorps, dem 5 000 bis 8 000 Frauen angehört haben sollen. Sehr wahrscheinlich waren es Reisende aus Europa, die den Kriegerinnen den Namen gaben, der sie berühmt machen sollte als „Amazonen von Dahomey“.
    Dieses Frauenheer entwickelte sich aus einer Polizeitruppe, die ursprünglich für den Schutz der Frauen im Königspalast zuständig war. Unter König Gezo fand 1815 die formelle Gründung des Kriegerinnenkorps statt, für das auch „Nachwuchskriegerinnen“ aus der Bevölkerung rekrutiert wurden. Die Dahomeer mussten ihre unverheirateten Töchter dem König vorführen, der die Kräftigsten auswählte. Sie galten als königliche Gemahlinnen, die zu berühren verboten war und deren Jungfräulichkeit von Eunuchen streng bewacht wurde.
    Europäische Beobachter, die zu den Truppenparaden eingeladen waren, berichteten von über 1,80 Meter großen, muskulösen |153| Frauen mit glänzenden schwarzen Körpern, die eingeölt waren, damit die Kriegerinnen im Wortsinn „unangreifbar“ waren.
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