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Die Amerikanerin

Die Amerikanerin

Titel: Die Amerikanerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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mich darfst du da nicht fragen«, sagte Marie. Sie winkte Franco, der mit zwei Männern im Schlepptau auf sie zukam. »Ist er nicht schön, mein stolzer Italiener?«
    Wanda verdrehte die Augen. Wenn Marie erst einmal ihren schmachtenden Ausdruck bekam, konnte man nichts mehr mit ihr anfangen! Demonstrativ stellte sie sich in Maries Blickfeld.
    »Glaubst du, ich hätte womöglich auch das Zeug zum Glasblasen?«, fragte sie und kam sich gleich darauf dumm dabei vor. »Ich meine ja nur …, wo meine Eltern doch beide aus berühmten Glasmacherfamilien stammen. Andererseits, was Handarbeiten angeht, habe ich bisher eigentlich kein besonderes Geschick bewiesen. Vor allem Feinstickereien liegen mir gar nicht. Bei so komplizierten Arbeiten sind meine Finger immer sehr bald verschwitzt und verkrampft, so dass alles, was ich in die Hand nehme, lappig und unansehnlich wirkt … Tante Marie, du hörst mir ja gar nicht zu!«
    »Du und Glas blasen? Das müsste man ausprobieren …«, erwiderte Marie, während ihr Blick mit Francos verschmolz. Wanda hielt den Atem an. Sollte sie jetzt den verwegenen Gedanken aussprechen, der ihr seit Tagen immer wieder durch den Kopf huschte wie ein aufdringliches Insekt?
    »Was würdest du davon halten, wenn ich euch einmal in Lauscha besuchen komme?«, fragte sie mit piepsiger Stimme.
    »Da könnte ich das Glasblasen tatsächlich mal probieren. Wäre das nicht eine tolle Idee? Wenn Mutter es erlaubt, könnte ich dich gleich begleiten, wenn du heimreist.«
    Bevor Marie antworten konnte, schob Franco die beiden italienischen Glasbläser in den Vordergrund.
    »Darf ich vorstellen: Flavio Scarpa und Mateo di Pianino! Die Künstler stehen euch gern Rede und Antwort, allerdings müsst ihr mich als Übersetzer dulden, sie können nämlich weder Englisch noch Deutsch!«
    Im Nu entwickelte sich zwischen Marie und den beiden Glasbläsern eine Fachsimpelei über Überfangtechniken, Pulvereinschmelzungen, überstochene Zwischenschichten und andere Dinge, von denen Wanda keine Ahnung hatte und die sie auch nicht interessierten. Marie jedoch war nun völlig in ihrem Element. Sie schien nicht nur Wanda, sondern auch ihren schönen Italiener vergessen zu haben, dessen Miene immer düsterer wurde.
    Da habe ich wirklich einen denkbar schlechten Augenblick gewählt, um meine Idee von einem Besuch in Lauscha anzusprechen, ärgerte sich Wanda, während sie allein von Vitrine zu Vitrine schlenderte.

18

    Nachdem sie Wanda zu Hause abgesetzt hatten, besuchten Marie und Franco eine kleine Bar in der Nähe von Ruths Apartmenthaus. Die Bar war weder schick noch besonders gemütlich, sie war auch nicht berühmt wegen ihrer Speisekarte – außer belegten Broten gab es nämlich nichts –, und die Gäste waren normale Leute. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen fühlten sich Franco und Marie dort wohl: Wenn sie an einem der kleinen roten Kunststofftische saßen, ein Glas Bier oder Whisky vor sich, gab es niemanden, der ihre Zweisamkeit gestört hätte. Hierher verirrten sich weder Künstler noch italienische Gastwirte, die mit Franco um bessere Konditionen feilschen wollten. Nur hin und wieder erkannte Marie jemanden aus Ruths Apartmenthaus, mehr als ein flüchtiges Kopfnicken wurde dabei jedoch nicht ausgetauscht. Sosehr Marie den Trubel von Greenwich Village liebte – manchmal wollte sie einfach nur ihre Ruhe haben.
    »Ach, bin ich müde!«, stöhnte sie, kaum dass sie saßen. »Meine Füße tun so weh, dass sie fast abfallen. Aber die Lauferei hat sich gelohnt, die Ausstellung war wunderbar! Ich habe das Gefühl, dass die Kunststücke wie kristallene Glocken in mir nachklingen. Und dann Wandas Begeisterung! Wie ein kleines Kind, nicht wahr? Sie kann ganz schön anstrengend sein, findest du nicht? Oder … – was ist, warum guckst du so grimmig?« Sie runzelte die Stirn. Jetzt fiel ihr auf, dass Franco schon den ganzen Tag so seltsam gewesen war. Still und in sich gekehrt.
    »Wir müssen miteinander reden, cara mia .«
    »Ich hoffe doch nicht, dass du wieder auf irgendjemanden eifersüchtig bist!«, erwiderte Marie mit gespieltem Ärger. »Was kann ich dafür, dass Flavio mich ständig ›Bella Signora‹ genannt hat? Oder dass Mateo meinte, meineHand nehmen zu müssen, um mir den Verlauf der Glaswindung zu verdeutlichen?« Sie schmunzelte. Eigentlich gefiel es ihr ziemlich gut, dass Franco so eifersüchtig war. Sie fühlte sich dann so … umworben. Aber das würde sie ihm gegenüber natürlich nicht

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