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Die amerikanische Nacht

Die amerikanische Nacht

Titel: Die amerikanische Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisha Pessl
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Tasche.
    »Danke dir«, sagte ich zu Beckman – er schien auf einmal zu nachdenklich, um zu sprechen. »Ich erkläre es dir, wenn ich mehr Zeit habe«, fügte ich hinzu und machte mich auf den Weg.
    »McGrath.«
    Ich hielt an und drehte mich zu ihm um. Er sah mir nach.
    »Ich muss dir noch einen letzten Rat geben, für den unwahrscheinlichen Fall, dass diese außergewöhnliche und beneidenswerte Situation, in der du dich befindest, tatsächlich der Wahrheit entspricht – dass du irgendwie tief in einer Geschichte von Cordova gelandet bist.«
    Ich starrte ihn an.
    »Sei der Gute«, sagte er.
    »Woher weiß ich, dass ich der Gute bin?«
    Er zeigte auf mich und nickte. »Eine sehr kluge Frage. Du weißt es nicht. Die meisten Bösen denken, sie seien die Guten. Aber es gibt ein paar Anzeichen. Du bist unglücklich. Du wirst gehasst. Du tastest dich im Dunkeln voran, allein und verwirrt. Du hast keinen Einblick in das wahre Wesen der Dinge, bis zur allerletzten Minute, und auch dann nur, wenn du ausdauernd und verrückt genug bist, um bis zum Ende zu gehen. Aber vor allem – und das ist entscheidend – nimmst du keine Rücksicht auf dich selbst. Deine Motivation hat mit deinem Ego nichts zu tun. Du wirst es für die Gerechtigkeit tun. Aus Gnade. Aus Liebe. Diesen großen, heroischen Werten, die zu schultern nur die Guten stark genug sind. Du wirst
zuhören

    Er leckte sich die Lippen und runzelte die Stirn.
    »
Falls
du der Gute bist, kannst du vielleicht überleben, McGrath. Aber natürlich gibt es bei Cordova keine Garantien.«
    »Verstehe.«
    »Viel Glück«, sagte er. Dann drehte er sich um und verschwand, ohne mich noch einmal anzusehen, in seinem Hörsaal.

108
    Die nächsten elf Tage verbrachte ich damit, das Stadthaus in der East 71 st Street zu beobachten – das Haus, in das Hopper eingebrochen war. Nachts schlief ich unruhig. Außerdem brachte ich an der Wohnungstür ganz unten mit etwas Klebemasse einen dünnen, unsichtbaren Faden an, so dass ich gewarnt sein würde, wenn jemand die Wohnung betreten haben sollte, während ich weg war.
    Doch der Faden blieb intakt.
    Inzwischen akzeptierte ich als wahr nur noch, dass man mir eine raffinierte Falle gestellt hatte, vermutlich angefangen mit Ashleys Auftauchen in der Nacht am Reservoir See. Doch wieso oder wie es genau geplant und durchgeführt worden war, ob die Zeugen, die wir gefunden hatten, uns überhaupt die Wahrheit über Ashleys Verhalten gesagt hatten, was echt wahr und was nicht – das alles wusste ich nicht mehr. Konnte etwas echt sein, wenn alle Beweise dafür verschwunden waren? War etwas überhaupt wahr, wenn es nur im eigenen Kopf existierte, so wie die eigenen Träume?
    Cordova hatte in seinem Leben und in seiner Kunst Phantasie und Realität vermischt. Jetzt schien er mir, sehr zu meinem Leidwesen, schamlos eine solche Vermischung von Wahrheit und Fiktion vorführen zu wollen. Vielleicht war es seine Methode, mir zu zeigen, dass er nicht nur der Überlegene war – dass er nicht zu entlarven war, dass ich ihn niemals fassen konnte –, sondern auch, dass in manchen Fällen die große Wahrheit über eine Familie, über das Leben eines Menschen,
die Phantasie
war, und nur ein Dummkopf sich danach sehnen würde, das eine säuberlich vom anderen zu trennen.
    Hopper und Nora hatten mich, nachdem ich Beckmans Vorlesung unterbrochen hatte, innerhalb von ein paar Stunden zurückgerufen und besorgt gefragt, ob alles in Ordnung sei. Die beiden schienen also doch nicht wie alle anderen verschwunden zu sein, sondern einfach damit beschäftigt, ihr Leben weiterzuleben. Nora war dabei, Al Pacinos Eröffnungsmonolog aus »Glengarry Glen Ross« einzustudieren, den sie beim Vorsprechen für »Hamlette« am Flea Theater vortragen wollte. Meine Unterhaltung mit Hopper war höflich, aber gezwungen, was zum Teil daran lag, dass wir ständig von auf seinem Handy eingehenden Anrufen unterbrochen wurden, und daran, dass er mir die Entscheidung noch nicht verziehen hatte, weiter die Wahrheit über Ashley freilegen zu wollen. Beide erkundigten sich, ob ich noch immer in der Sache recherchierte, aber schienen sich für meine Antwort nicht zu interessieren. Ich hatte das Gefühl, dass Ashley ein Teil ihrer Vergangenheit war, ein dämmeriger schöner Tag, den sie in einem ganz bestimmten Licht und mit eindringlicher Musik untermalt in Erinnerung behalten wollten, und dass sie von keiner Erfahrung hören wollten, die dieses Bild trüben würde. Ich legte bei

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