Die amerikanische Nacht
wie?«
»Durch den Teufel. Ich sag doch, die Frau war verrückt. Sie sagte, da war eine zweite Pupille in ihrem Auge, so ein Schwachsinn, und es war …« Er warf seine Zigarette auf den Gehsteig. »Sie hat es
huella del mal
genannt.« Er trat den Stummel mit der Hacke aus. Als er wieder hochsah, schienen ihn unsere erwartungsvollen Gesichter zu überraschen. Wir warteten darauf, dass er weiter übersetzte.
»Das heißt Abdruck des Bösen«, sagte er.
»Deshalb hat sie auf ihr linkes Auge gezeigt«, sagte ich.
Nora starrte Hopper sprachlos an. Sie rollte die
Whole-Foods
-Tüte mit Ashleys Mantel noch enger zusammen, als wolle sie sichergehen, dass die
aura negativo
, die vielleicht daran haftete, in der Tüte blieb.
»Was ist dann passiert?«, fragte ich. »Stigmata in Guadeloupes Handflächen?«
»Sie hatte Angst, ist in den Keller gelaufen, um ihre Sachen zu holen, und hat den Rest des Tages in der Kirche verbracht. Sie hat den Sicherheitsdienst
nicht
angerufen, deshalb war Hashim so sauer. Sie hat sich nicht ans Protokoll für Reinigungskräfte gehalten. Hashim denkt, Ashley sei eine Obdachlose, und er hat Guadeloupe gesagt, dass er mit ihrem Boss darüber reden will, wie sie mit der Situation umgegangen ist. Nach dem allen haben wir die Frau, glaube ich, in Schwierigkeiten gebracht.«
Es passte alles zusammen. Guadeloupe musste sich deshalb so merkwürdig im Spiegel betrachtet haben, weil sie Angst um ihren Job hatte.
Hopper wirkte jetzt ziemlich uninteressiert an der ganzen Geschichte. Er hatte sein Telefon aus der Tasche geholt und sah seine Nachrichten durch.
»Ich muss los«, sagte er. »Wir sehen uns später.«
Mit einem nachlässigen Lächeln drehte er sich um und trat auf die Straße.
Obwohl die Autos die Park Avenue hinunterrasten und in unsere Richtung brandeten, joggte er vor die Autos. Entweder nahm er sie nicht wahr, oder ihm war es egal, wenn er angefahren wurde. Ein Taxi bremste und hupte, doch er ignorierte es und hüpfte auf den Mittelstreifen. Dort wartete er, bis die Autos auf der anderen Seite vorbeigefahren waren, dann rannte er über die Straße. Nora und ich sahen ihm schweigend nach.
26
Nora wollte nicht, dass ich sie nach Hause fuhr, aber weil ich darauf bestand, sagte sie, ich solle sie an der Ecke Ninth und 52 nd Street rauslassen.
Während der Fahrt sagte keiner von uns ein Wort.
Es war ein langer Tag gewesen, gelinde gesagt. Ich hatte außer Jellybeans und Bugles-Chips nichts gegessen. Hoppers Kettenrauchen hatte bei mir einen dumpfen Kopfschmerz ausgelöst. Alles, was wir über Ashley herausgefunden hatten – die Flucht aus Briarwood, die Sichtung durch die Putzfrau –, war noch zu frisch, um es um diese Uhrzeit verstehen zu können. Jetzt wollte ich erstmal nach Hause, mir einen Drink genehmigen, ins Bett gehen und dann sehen, wie das Ganze am Morgen aussehen würde.
Ich bog links in die Ninth ab und fuhr bei einem koreanischen Deli rechts ran.
»Danke fürs Mitnehmen«, sagte Nora, griff den Gurt ihrer Tasche und öffnete die Tür.
»Musstest du heute nicht arbeiten?«, fragte ich. »Im Four Seasons?«
»Oh,
nein
. Gestern war mein letzter Tag. Die Frau, die eigentlich dort arbeitet, ist aus dem Mutterschutz zurück. Ich fange morgen als Bedienung im Mars 2112 an.«
»Wo ist denn deine Wohnung?«
»Da hinten.« Sie zeigte vage über ihre Schulter. »Wir sehen uns dann später.« Sie hievte lächelnd ihre Tasche auf die Schulter, knallte die Tür zu und ging den Gehsteig entlang.
Ich fuhr weiter auf der Ninth Avenue und musste an der roten Ampel halten. Nora ging immer noch den Block entlang, aber wurde kurz langsamer, um sich umzublicken. Sie musste mich gesehen haben, denn sie sprang gleich die Vortreppe des nächsten dreckigen Hauses hinauf.
Du lieber Himmel.
Sartre meinte es wirklich ernst, als er sagte,
Die Hölle, das sind die anderen
.
Die Ampel sprang auf Grün. Ich gab Gas, um in die Rechtsabbiegerspur zu kommen, wurde aber sofort von einem Niederflurbus geschnitten. Wie üblich dachte der Fahrer, er säße in einem verdammten Smart und nicht in einem häuserblocklangen Tausendfüßler auf Rädern. Ich bremste, wartete, bis er gefahren war, und bog dann rechts in die 51 st Street ab, noch einmal in die Tenth und schließlich in die 52 nd.
Ich fuhr hinter einem Lastwagen rechts ran und entdeckte Nora sofort.
Sie saß ganz oben auf der Vortreppe des Hauses versteckt, in das sie scheinbar verschwunden war, und sah auf ihr Handy. Nach einer Minute
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