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Die amerikanische Nacht

Die amerikanische Nacht

Titel: Die amerikanische Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisha Pessl
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braunen Fliesen ableckten und verschwanden.
    Ich rannte hinterher, die Stufen waren übersät mit Müll und Werbung für asiatische Begleitdamen, die meisten auf Chinesisch. Auf einem Flyer, der vor eine versiffte Scheibe geklemmt war, stand MASSAGE – ASIATISCHE MÄDCHEN . Daneben war eine nackte Koreanerin in Latex Chaps zu sehen, die schüchtern über die Schulter in die Kamera blickte. DAS IST YUMI , stand da.
    Hopper und Nora waren irgendwo verschwunden und nicht mehr zu sehen. Als ich gerade die nächste Treppe hochsteigen wollte und eine Dose Tsingtao zur Seite kickte, kam von unten ein lautes Knallen.
    Ich beugte mich über das Metallgeländer und starrte hinab.
    Da war niemand zu sehen. Und doch hätte ich schwören können, dass ich ein Atmen hörte.
    »Hallo?«, rief ich laut. Meine Stimme klang im Treppenhaus nach.
    Keine Antwort.
    Ich ging die restlichen Treppen hinauf und öffnete die Tür mit der 4 . Ich sah Hopper und Nora am Ende eines langen, schlecht beleuchteten Ganges. Sie standen vor der Nr.  16 . Als ich sie erreichte, drehten sich beide um. Etwas hinter mir hatte sie erschreckt.
    Eine Frau war am anderen Ende des Gangs aufgetaucht.

34
    Die einzige Neonröhre an der Decke tauchte ihre breite Nase und ihre Stirn in kränklich gelbes Licht. Sie war ziemlich fett, trug einen langen grünen Rock und ein schwarzes T-Shirt. Ihr strähniges braunes Haar fiel ihr auf die Schultern.
    »Was soll das denn werden?«, fragte sie mit einer krächzenden, maskulinen Stimme.
    »Wir sehen nach einer Freundin«, sagte ich.
    Sie trippelte mit hochgezogenen Schultern auf uns zu, ihre Flipflops patschten gegen ihre nackten Füße.
    »Was für eine
Freundin

    »Ashley.«
    »Wer?«
    »Kay«, schaltete sich Nora ein. »Er meint Kay.«
    Als sie den Namen hörte, blieb die Frau stehen. Sie wollte nicht näher kommen. Sie musste Mitte fünfzig sein, hatte fleckige Haut, ein paar Zähne fehlten. Das verlieh ihrem Gesicht den Ausdruck einer bröckelnden Statue.
    »Wo zur Hölle steckt Kay?«, herrschte sie uns an. »Sagen Sie ihr, sie schuldet mir drei Wochen Miete. Das ist hier kein Obdachlosenheim.«
    Hopper griff in seine Manteltasche und entfaltete ein Blatt Papier.
    »Ist sie das?«, fragte er. Es war ein Schwarzweißfoto von Ashley. Er musste es aus dem Internet ausgedruckt haben, denn ich hatte es noch nie gesehen – es sei denn, es stammte aus seiner eigenen Sammlung, ein Schnappschuss von den Six Silver Lakes. Die Frau rührte sich nicht, um es sich anzusehen. Sie schob nur ihr Kinn vor.
    »Sind Sie Cops?«
    »Nein«, sagte ich. »Wir sind Freunde von Kay.«
    »Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?«, platzte Nora heraus.
    Die Frau sah uns zornig an. »Mit Cops rede ich nicht.«
    »Wir sind keine Cops«, sagte Hopper und zog sein Portemonnaie aus der Hosentasche. Als er es geöffnet hatte, schwärmten die kleinen schwarzen Augen der Frau darüber wie Fliegen über einem Scheißhaufen. »Wenn Sie unsere Fragen beantworten, werden wir uns erkenntlich zeigen.« Er hielt ihr drei Zwanziger hin, die sie sich augenblicklich schnappte. Sie zählte das Geld und steckte es vorne in ihr T-Shirt.
    »Ist das Kay?«, fragte Hopper erneut und hielt ihr das Bild hin.
    »Sieht ganz so aus.«
    »Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?«, fragte ich.
    »Wochen her. Deshalb komm ich ja hier hoch. Ich hab das Rumschleichen gehört, dachte, sie kommt, um ihr Zeug zu holen und will sich an mir vorbeistehlen. Irgend ’ne Ahnung, wann Ihre Hoheit sich wieder blicken lässt?«
    »Nicht wirklich.«
    Die Nachricht machte sie wütend. »Ich hätte das Zimmer fünfmal vermieten können. Jetzt muss ich den Schlüsseldienst holen. Und ihren Scheiß wegschmeißen.«
    »Wieso den Schlüsseldienst?«, fragte ich.
    Sie nickte in Richtung Tür. »Ich hab keinen Schlüssel für ihr Zimmer. Sie hat das Schloss ausgewechselt.«
    »Wieso?«
    »Was weiß ich!«
    »Wie war sie so?«, fragte Nora.
    Die Frau zog eine Grimasse. »Hat sich aufgespielt wie die Herzogin, sag ich mal. Hat Sachen gefordert, so als würde sie denken, sie ist die Queen von England. Wollte, dass ich das Licht im Bad repariere, weil es ihr zu dunkel war. Dann noch den Wasserhahn. Die dachte, das ist hier ein beschissenes Marriott.«
    »Wissen Sie, was sie in der Stadt gemacht hat?«, fragte Nora.
    Die Frau kniff die Augen zusammen, als sei sie gerade beleidigt worden. »Wer pünktlich zahlt, kann in seinem Zimmer machen, was er will. Sie hat mir mal einen Gefallen getan. Ich

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