Die amerikanische Nacht
war jetzt noch voller. Ein elegantes älteres Pärchen inspizierte die Totenkopfkerzen. Vier Teenagerinnen stöberten nach Weihrauch. Ein junger Mann mit dem verzweifelten Popperlook eines arbeitslosen Wall-Street-Analysten las in einer Broschüre: ENCHANTMENTS KURSPROGRAMM HERBST .
Magie machte wirklich Spaß, solange man nicht die Wasserstoffbombe unter den Zaubermaterialien am Schuh kleben hatte.
Dexter musste den Jungen mit den orangefarbenen Haaren eingeweiht haben, denn sie beide starrten uns fasziniert an, als wir an ihnen vorbeimarschierten.
Cleo öffnete uns die Tür und verscheuchte die Perserkatze.
»Viel Glück«, sagte sie.
»Danke«, sagte Nora niedergeschlagen und trat hinaus. Ich blieb kurz stehen.
»Was, wenn ich an all das nicht glaube? Ich bin katholisch erzogen.«
Cleo sah mich ausdruckslos an, doch ich hätte schwören können, dass in ihren schwarzen Augen einen kurzen Augenblick lang ein amüsiertes Leuchten zu sehen war.
»Dann brauchen Sie sich wohl keine Sorgen zu machen.«
Sie knallte die Tür zu, setzte ein beschäftigtes Gesicht auf und huschte durch das Gewühl zurück in ihre Rotlichthöhle am Ende des Ladens.
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»Glaubst du, wir werden
sterben
?«, fragte Nora nervös, als wir die Stufen zur Straße hinaufgingen.
»Dazu neigen doch die meisten.«
»In den
nächsten paar Tagen
. Dieses Goofer-Zeug, von dem sie gesprochen hat. Sie hat gesagt, dass es einen umbringen kann, ohne dass man es merkt.«
»Genau das tun Ex-Frauen auch. Das Interessanteste, was sie gesagt hat, war, dass das Wissen über schwarze Magie von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird.«
»Glaubst du, das ist, was die Cordovas verbergen? Dass sie alle Hexen sind oder so was?«
Ich sagte nichts, der Gedanke klang absurd.
Andererseits
–. Cordova war ein kreativer Exzentriker, der sich auf einem isolierten Anwesen versteckt hielt – im Grunde eine Petrischale zur Kultivierung des Verschrobenen und Absonderlichen. Cleo hatte uns bescheinigt, dass Ashley in Sachen Zauberei ziemlich bewandert war. Sie musste von irgendjemandem gelernt haben, wie man diese Materialien zusammenstellt.
Doch für wen war dieser Schwarzknochentodesfluch gedacht gewesen –
für mich
? Hatte sie ihn ausgelegt, weil sie wusste, dass ich zu ihrem Tod Nachforschungen anstellen und irgendwann in der Henry Street aufschlagen würde? Was war mit Hopper? Er hatte diesen Stoffaffen zugeschickt bekommen und aus irgendeinem Grund gewusst, dass sie im
Klavierhaus
gewesen war.
Oder war alles für jemand ganz anderen gedacht?
Iona hatte behauptet – ob man ihr glauben mochte oder nicht –, dass sie zwei Männer vor Ashleys Tür gesehen hatte. Einer hätte Theo Cordova sein können. Vielleicht hielt Ashley ihre eigene Familie für den Feind und hatte den Todesfluch für sie ausgelegt. Hopper machte die Familie für alles verantwortlich. Vielleicht hatten sie sie verfolgt und zu finden versucht, weil sie fürchteten, sie würde ihr Geheimnis aufdecken. Schließlich war sie
mir
gefolgt – was die Familie zweifellos ziemlich nervös gemacht haben dürfte.
Nora dachte darüber nach und nagte an ihrem Daumennagel. »Das könnte der Grund sein, warum sich Ashley umgebracht hat. Sie konnte die Schuld für das nicht ertragen, was ihre Familie jahrelang getan hat, für diese ganze schwarze Magie.« Sie zog die Nase kraus. »Vielleicht war es das, was dem Zimmermädchen im Waldorf aufgefallen ist, als sie dieses Mal in ihrem Auge gesehen hat. Vielleicht konnte sie erkennen, dass Ashley schwarze Magie ausübte.«
»Im Moment sind das alles Vermutungen.«
Ich schloss das Metalltor hinter uns und bemerkte, dass mein Telefon summte. Ich nahm an, es sei Hopper, doch stattdessen war es eine E-Mail von den Blackboards, die mir mitteilte, dass jemand auf die von mir gepostete Frage geantwortet hatte. Um die Antwort zu lesen, brauchte ich allerdings meinen Laptop und den TOR -Browser.
»Du hält dieses Magiezeug vielleicht für Quatsch, aber ich nicht«, sagte Nora und kratzte die Sohlen ihrer Stiefel am Bordstein ab. »Dieser Fluch klebt wie Zement.«
»Wir müssen zurück in mein Apartment.« Ich trat auf die Straße und winkte ein Taxi heran.
»Wie wär’s, wenn wir zu
Rising Dragon
Tattoos fahren und da wegen der Quittung nachfragen?«
»Das machen wir später. Jemand hat auf meine Frage auf den Blackboards geantwortet.«
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Oubliette.
Im Internet gab es keinen Hinweis auf einen
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