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Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)

Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)

Titel: Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Jonasson
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fragte Nombeko.
    Der Ministerpräsident spürte, dass keiner etwas davon hatte, wenn es jetzt Streit gab, also beeilte er sich, Holger dafür zu loben, dass er die Waffe weggeräumt hatte, was Nombeko veranlasste, Waffenstillstand zu erklären.
    »Wenn wir Holger fangen – den Holger, den wir nicht ›den Idioten‹ nennen, wenn seine Freundin zuhört – und an einen Baum binden, besteht das Risiko, dass dann stattdessen seine Freundin die Bombe zündet. Und wenn wir sie an den Baum daneben binden, wer weiß, was dann ihrer Großmutter mit der Flinte einfällt?«
    »Gertrud«, sagte der König beifällig.
    »Wenn ihr meine kleine Celestine anrührt, fliegen die Kugeln hier in alle Richtungen, dass ihr’s nur wisst!«, sagte Gertrud.
    »Ja, da hört ihr’s«, sagte Nombeko. »Die Pistole ist völlig unnötig, und das habe ich vor einer Weile sogar dem Idioten klarmachen können.«
    »Essen ist fertig«, verkündete Gertrud.
    Auf dem Speisezettel standen Hähnchenpfanne, selbst gebrautes Bier und die spezielle Schnapsmischung der Gastgeberin. Hähnchen und Bier durfte sich jeder selbst nehmen, aber um den Schnaps kümmerte sich Gertrud. Jeder bekam sein Glas, inklusive dem Ministerpräsidenten, auch wenn er lahm protestierte. Gertrud schenkte bis obenhin ein, und der König rieb sich die Hände:
    »Dass das Hähnchen nach Geflügel schmeckt, davon dürfen wir wohl ausgehen. Aber jetzt wollen wir doch mal sehen, wie es um den Rest steht.«
    »Ja dann – auf Sie, lieber König«, sagte Gertrud.
    »Und wir?«, fragte Celestine.
    »Auf euch natürlich auch.«
    Und dann leerte sie ihr Glas. Der König und Holger 2 folgten ihrem Beispiel. Die anderen nippten eher vorsichtig, nur Holger 1 konnte sich nicht überwinden, auf den König zu trinken, und der Ministerpräsident goss seinen Schnaps rasch in eine Pelargonie, als niemand guckte.
    »Marschall Mannerheim, bei meiner Ehr!«, sagte der König liebenswürdig.
    Außer Gertrud verstand niemand, wovon er sprach.
    »Wunderbar, lieber König! Aber auf einem Bein kann man nicht stehen – darf ich Ihnen noch einen anbieten?«
    Holger 1 und Celestine fanden Gertruds Begeisterung für diesen Mann, der doch endlich abdanken sollte, immer unangenehmer. Außerdem saß er da in seinem blutgesprenkelten Frackhemd mit hochgekrempelten Ärmeln statt in seiner Marineuniform. Nummer eins mochte es gar nicht, wenn er nicht durchblickte, auch wenn er diesen Zustand ja im Grunde gewohnt war.
    »Was hat das eigentlich zu bedeuten?«, fragte er.
    »Dass dein Freund, der König, soeben den besten Schnaps der Welt erkannt hat«, sagte Gertrud.
    »Das ist nicht mein Freund«, sagte Holger 1.
    * * * *
    Gustaf Mannerheim war kein Bluff, sondern ein ganzer Kerl. Er tat mehrere Jahrzehnte lang Dienst in der Armee des Zaren und zog in dessen Auftrag zu Pferde durch Europa und Asien.
    Als Lenin und der Kommunismus die Macht in Russland übernahmen, kehrte er heim ins freie Finnland, wo er Reichsverweser, Oberbefehlshaber der Armee und zu guter Letzt auch noch Präsident wurde. Er galt für alle Zeit als der größte Soldat Finnlands und erhielt Orden und Auszeichnungen von der ganzen Welt – und obendrein den einmaligen Titel »Marschall von Finnland«.
    Im Zweiten Weltkrieg kam die »Marschallmischung« auf: ein Teil Wodka, ein Teil Aquavit, ein Schuss Gin und zwei Schuss Wermut. Die Mischung wurde zum Klassiker.
    Zum ersten Mal hatte der König das vor über dreißig Jahren bei einem Staatsbesuch in Finnland zu kosten bekommen, als er gerade mal ein knappes Jahr König war.
    Der Achtundzwanzigjährige, nervös und mit zitternden Knien, wurde vom routinierten finnischen Präsidenten Kekkonen empfangen, der selbst schon gut über siebzig war. Mit dem Vorrecht des Älteren verlangte Kekkonen, dass der König sich erst mal einen hinter die damals schon metallbeschwerte Binde kippen sollte. Gesagt, getan – und schon lief der Rest des Besuches wie am Schnürchen. Nun serviert ein finnischer Präsident nicht einfach irgendein Getränk, es musste schon die Marschallmischung sein, und damals entstand eine lebenslange Liebe zwischen dem König und diesem Drink, während Kekkonen und er Jagdkameraden wurden.
    Der König leerte auch das zweite Glas, schnalzte mit der Zunge und sagte:
    »Wie ich sehe, ist das Glas des Ministerpräsidenten leer. Möchten Sie nicht auch noch einen? Nun ziehen Sie doch endlich Ihren Frack aus, Mann. Und Ihre Lackschuhe sind ja völlig mit Matsch beschmiert, und die halben

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