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Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)

Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)

Titel: Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Jonasson
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amerikanischen Geheimdienst betraf, nicht aber den israelischen, tat er, worum sie ihn gebeten hatte.
    Dass seine Besucherin nicht nur eine Frau, sondern auch noch schwarz war, bedeutete in seinen Augen mildernde Umstände. Die amerikanischen Agenten nahmen weltweit sicher alle möglichen Farben und Formen an, aber Archetyp war und blieb der weiße Mann zwischen dreißig und vierzig.
    Die Frau konnte ihm auch eine Probe ihrer Kenntnisse in einer afrikanischen Stammessprache geben. Und nachdem sie so viele Details von ihrer angeblichen Kindheit in Soweto erzählen konnte, war nicht auszuschließen, dass sie tatsächlich dort gelebt hatte.
    Nombeko ihrerseits war fast schon fasziniert, wie gründlich das Nervenkostüm des Töpfers ruiniert war. Ihre Taktik musste so aussehen, dass sie ihn oft, aber immer nur kurz besuchen kam, um im Laufe der Zeit Vertrauen aufzubauen.
    »Bis morgen«, sagte sie beim Abschied.
    Ein Stockwerk höher waren die Chinesenmädchen wieder aufgewacht und hatten Knäckebrot in der Speisekammer gefunden, an dem sie gerade herumknusperten, als Nombeko zu ihnen stieß.
    Nombeko fragte, was sie als Nächstes geplant hatten, und bekam zur Antwort, dass sie noch nicht so viel zum Nachdenken gekommen waren. Aber vielleicht konnten sie ja zu Onkel Cheng T ā o fahren, der wohnte nämlich in der Nähe. In Basel. Oder war es Bern? Oder Bonn? Vielleicht auch Berlin. Ihr Onkel war Experte auf dem Gebiet nachgebildeter Antiquitäten und würde sicher nicht Nein sagen, wenn seine Nichten ihm ihre Hilfe anboten.
    Zu den Kenntnissen, die Nombeko sich in der Bibliothek in Pelindaba angeeignet hatte, gehörte auch ein gewisser Überblick über den europäischen Kontinent und seine Städte. Daher glaubte sie Grund zur Annahme zu haben, dass weder Basel, Bern, Bonn noch Berlin sonderlich nahe gelegen waren. Und dass es wahrscheinlich keine leichte Aufgabe werden würde, diesen Onkel ausfindig zu machen, selbst wenn es ihnen gelang herauszufinden, in welcher Stadt er denn nun wohnte. Oder zumindest in welchem Land.
    Doch die Mädchen erwiderten, dass sie nur ein Auto und ein bisschen Geld brauchten, der Rest würde sich dann schon finden. Ob Bonn oder Berlin, war unerheblich, man konnte sich schließlich immer durchfragen. In der Schweiz war es auf jeden Fall.
    Geld für die Chinesenmädchen hatte Nombeko ja im Überfluss. Zumindest in indirekter Form. Der Saum der einzigen Jacke, die sie seit ihrer Jugend in Soweto besessen hatte, enthielt immer noch ein Vermögen in Diamanten. Sie fummelte einen davon heraus und ging zum örtlichen Juwelier, um den Stein schätzen zu lassen. Doch dieser war schon einmal von einem Mitarbeiter ausländischer Herkunft aufs Kreuz gelegt worden und hatte sich daher der weltweit verbreiteten Auffassung angeschlossen, dass man Ausländern nicht über den Weg trauen durfte.
    Als eine schwarze Frau in seinen Laden kam und Englisch redete, während sie einen ungeschliffenen Diamanten auf seinen Tresen legte, bat er sie daher zu gehen, sonst würde er die Polizei rufen.
    Nombeko hatte kein gesteigertes Verlangen, in näheren Kontakt mit einem schwedischen Gesetzeshüter zu treten, also nahm sie ihren Diamanten zurück, entschuldigte sich, den Juwelier belästigt zu haben, und ging wieder.
    Nein, die Mädchen mussten sich ihr Geld wohl selbst verdienen und sich ein eigenes Auto anschaffen. Wenn Nombeko ihnen im Kleinen behilflich sein konnte, immer gern, aber mehr nicht.
    Noch am selben Nachmittag kamen Holger 1 und die junge Zornige zurück. Nummer eins hatte festgestellt, dass die Essensvorräte seines Bruders geplündert worden waren, was ihm keine andere Wahl ließ, als einkaufen zu gehen. Das gab Nombeko Gelegenheit, ein erstes richtiges Gespräch unter vier Augen mit der jungen Zornigen zu führen.
    Ihr Plan hatte zwei Teile. Den Feind zuerst kennenlernen – also die junge Zornige und Holger 1 –, um ihn dann, bildlich wie buchstäblich gesprochen, aus der Gefahrenzone zu lotsen.
    »Sieh an, die Amerikanerin«, sagte die junge Zornige, als sie sah, wer bei ihr geklopft hatte.
    »Ich bin Südafrikanerin, hab ich doch schon gesagt«, gab Nombeko zurück. »Aus welchem Land, das allen anderen überlegen ist, kommst du denn?«
    »Ich bin natürlich Schwedin.«
    »Dann kannst du mir doch sicher eine Tasse Kaffee anbieten. Oder noch lieber einen Tee.«
    Tee ließ sich einrichten, obwohl Kaffee eigentlich vorzuziehen war, denn angeblich herrschten auf den südamerikanischen Kaffeeplantagen

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