Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)
dass auch eine Republik gewisse ungute Seiten haben konnte, zum Beispiel die südafrikanische, aber sei’s drum. Sie war hier, weil sie gern versuchen wollte, ihm zu helfen.
Natürlich meinte sie damit, dass sie versuchen wollte, Nummer eins von der Bombe fernzuhalten, aber sie ließ ganz bewusst Raum für andere Deutungsmöglichkeiten.
»Wenn Sie mir helfen würden, Fräulein Nombeko, das wäre wirklich ganz furchtbar nett«, sagte er.
Nach dem Plan, den sie in groben Zügen gedanklich ausgearbeitet hatte, bat sie Holger, ihr zu erzählen, wie sich seine republikanischen Gedanken weiterentwickelt hatten, seitdem der König auf seinen Vater gefallen war.
»Nicht der König! Lenin.«
Holger 1 musste zugeben, dass er nicht so schlau war wie sein Bruder, aber er hatte trotzdem eine Idee. Und zwar die, den König mit dem Hubschrauber zu kidnappen, ihn ohne seine Leibwachen an Bord zu holen, ihn irgendwo hinzubringen und ihn dort zur Abdankung zu zwingen.
Nombeko musterte Nummer eins. Das war also die Idee, die er mühsam ausgebrütet hatte?
»Ja, genau. Was meinen Sie dazu, Fräulein Nombeko?«
Was Nombeko meinte, konnte sie unmöglich laut aussprechen. Also sagte sie:
»Die Idee ist vielleicht noch nicht ganz ausgereift, oder?«
»Wieso?«
Tja, wo wollte er zum Beispiel einen Helikopter hernehmen, wer sollte den fliegen, wo sollte der König entführt, wohin sollte er dann gebracht werden und wie sollte das Argument für seine Abdankung lauten? Unter anderem.
Holger 1 blickte betreten zu Boden.
Nombeko wurde immer klarer, dass Nummer zwei nicht den Kürzeren gezogen hatte, als der gesamte gesunde Menschenverstand zwischen den Brüdern aufgeteilt worden war. Doch auch das sagte sie nicht laut.
»Lass mich ein, zwei Wochen darüber nachdenken, dann wird bestimmt alles gut. Aber jetzt muss ich zu deinem Bruder. Zur Abwechslung.«
»Danke, liebes Fräulein Nombeko«, sagte Holger 1. »Vielen lieben Dank.«
Nombeko schloss sich wieder Nummer zwei an und erklärte, dass sie den Dialog mit seinem Bruder eröffnet hatte und sich jetzt ausdenken wollte, wie sie ihn dazu bringen konnte, an ganz andere Dinge als an Kisten mit geheimem Inhalt zu denken. Ihre halb fertige Idee bestand darin, dass er sich einbilden sollte, seinem Ziel eines Staatsstreiches näher zu kommen, während er tatsächlich nur weiter weg von der Bombe kam.
Holger 2 nickte anerkennend und meinte, das höre sich doch ganz so an, als würde alles gut werden.
11. KAPITEL
Davon, wie alles rein zufällig gut wurde
Die Chinesenmädchen, die schon in Pelindaba für die Küche verantwortlich gewesen waren, hatten Blutwurst, Fleischwurst und Knäckebrot bald über und eröffneten für sich und alle Bewohner der Fredsgatan eine Kantine. Da sie wirklich kochen konnten, finanzierte Holger 2 dieses Unternehmen mit Freuden vom Überschuss aus dem Kissenverkauf.
Zugleich war es Nummer zwei auf Nombekos Initiative gelungen, die junge Zornige dazu zu bewegen, die Hauptverantwortung für die Auslieferung zu übernehmen, obwohl die Verhandlungen anfangs nicht recht vorankamen. Erst als sie kapierte, dass sie dabei illegalerweise einen Lkw mit falschem Kennzeichen fahren musste, wurde ihre Neugier geweckt, und sie hörte sich den Vorschlag an.
Es gab ja drei Megatonnen Gründe, warum die junge Zornige keine Polizei in die Fredsgatan locken sollte (auch wenn sie das selbst nicht kapierte). Die Kennzeichen für den ansonsten neutralen Lkw waren schon gestohlen, es war also unmöglich, das Fahrzeug nach Gnesta zurückverfolgen.
Doch die designierte Fahrerin war nun mal eben erst siebzehn und ohne Führerschein. Daher wurde sie instruiert, keinen Mucks zu sagen, vor allem nicht ihren Namen, wenn sie tatsächlich einmal in eine Kontrolle geraten sollte.
Die junge Zornige glaubte nicht, dass sie es schaffen würde, Polizisten gegenüber den Mund zu halten. Dafür hasste sie sie viel zu sehr.
Da schlug Holger 2 vor, sie könne doch irgendein Liedchen trällern; auf diese Art sagte sie zwar nichts, würde die Beamten aber trotzdem ärgern.
Zu guter Letzt hatten sich Nummer zwei und die junge Zornige darauf geeinigt, dass sich Celestine bei einer eventuellen Verhaftung Édith Piaf nennen, verrückt gucken (Nummer zwei fand, dass sie dafür prädestiniert war) und Non, je ne regrette rien anstimmen sollte. Und dabei sollte sie bleiben, bis sie Holger anrufen konnte. Das Gespräch sollte übrigens aus demselben Song bestehen, Nummer zwei würde dann schon die
Weitere Kostenlose Bücher