Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)
Außerdem schien man in der alten Töpferwerkstatt auf der anderen Straßenseite einer ungenehmigten gewerblichen Tätigkeit nachzugehen, denn warum sollte die Mülltonne vor der Tür sonst voller leerer Töpferton-Tüten sein?
Die Leiterin des Gewerbeaufsichtsamtes gehörte zu den Menschen, in deren Augen eine ungenehmigte gewerbliche Tätigkeit der erste Schritt zur Anarchie ist.
Erst ließ sie ihren Frust am Hund aus, dann ging sie nach Hause, schüttete Fleischstückchen in einen Napf in der Küche, verabschiedete sich von Akilles, der nach Stillung seiner sexuellen Gelüste jetzt so tief schlief wie jedes männliche Wesen, während Frauchen in die Arbeit ging, um mithilfe ihrer Kollegen den Wildwest-Tätigkeiten in der Fredsgatan ein Ende zu setzen.
Ein paar Monate später, als die Mühlen der Beamten und Politiker fertig gemahlen hatten, wurde den Eigentümern der Immobilie, Holger & Holger AG , mitgeteilt, dass gemäß § 2, Abs. 15, die Eigentümer zu enteignen waren und das Haus in der Fredsgatan 5 geräumt und abgerissen werden sollte. Nachdem dieser Umstand im Amtsblatt bekanntgemacht worden war, hatte die Kommune ihren Pflichten Genüge getan. Aber im Sinne einer menschlichen Geste sorgte die Gewerbeaufsichtsdame mit dem aufgegeilten Hund dafür, dass ein Brief an alle potenziellen Bewohner der Immobilie im Briefkasten landete.
Dieser Brief plumpste am Donnerstag, dem 14. August 1994, in den Kasten. Darin stand, neben dem Verweis auf diverse Paragrafen, dass alle eventuellen Mieter die Immobilie spätestens zum 1. Dezember geräumt haben mussten.
Wer den Brief als Erstes las, war die wie so oft schrecklich zornige Celestine. Sie hatte am selbigen Morgen ihrem grün und blau geschlagenen Freund zum Abschied zugewinkt, der darauf bestanden hatte, trotz der Misshandlungen des Vortags unbedingt in die Arbeit nach Bromma zu fahren.
Jetzt wurde sie gleich wieder zornig und rannte zu Nombeko, wobei sie mit dem grässlichen Brief in der Luft herumwedelte. Diese gefühlskalten Behörden, die ganz normale, ehrbare Menschen auf die Straße setzten!
»Na ja, wir sind ja wohl weder besonders normal noch besonders ehrbar«, meinte Nombeko. »Komm mit in unsere Kuschelecke im Lager, statt hier rumzustehen und dich wegen der kleinsten Kleinigkeit aufzuregen. Wir wollten gerade unseren Vormittagstee trinken, wenn du willst, kannst du dir aus politischen Gründen auch gern einen Kaffee machen. Diese Sache müssen wir wohl in aller Ruhe besprechen.«
In aller Ruhe? Jetzt? Wo endlich – endlich! – eine Barrikade aufgetaucht war, auf die man gehen konnte? Ihretwegen konnten Nombeko und Holger in ihrer Kuschelecke ja ihren verdammten Tee trinken, sie würde protestieren! Wacht auf, Verdammte dieser Erde!
Die junge Zornige knüllte den Brief der Gemeinde zusammen, bevor sie rauchend vor Zorn (was sonst?) auf den Hof ging, die gestohlenen Nummernschilder von Holger und Holgers rotem Lastwagen abschraubte, sich in die Fahrerkabine setzte und rückwärts so vor die Einfahrt zwischen Lager und dem Haus Fredsgatan 5 setzte, dass der Zugang zum Gelände blockiert war. Dann zog sie rabiat die Handbremse an, schlängelte sich durch das Seitenfenster hinaus und warf die Autoschlüssel in einen Gully. Zum Schluss zerstach sie noch alle vier Reifen, so dass der Lkw ganz bestimmt dort stehen blieb, wo er nun stand, und effektiv jeden Versuch vereitelte, den Hof zu befahren oder zu verlassen.
Nach dieser einleitenden Kriegsmaßnahme gegen die Gesellschaft ging sie mit den Nummernschildern unterm Arm zu Holger und Nombeko, um ihnen zu verkünden, dass jetzt Schicht war mit Tee in der Kuschelecke (oder auch Kaffee), denn jetzt war Hausbesetzen angesagt! Auf dem Weg zu ihnen nahm sie noch den Töpfer mit, weil sie so viele Leute wie möglich versammeln wollte. Schade, dass ihr Schatz Holger in der Arbeit war. Na ja, das half jetzt alles nichts. Wenn der Kampf nun ausgefochten werden musste, dann musste er eben ausgefochten werden.
Holger 2 und Nombeko saßen aneinandergekuschelt auf der Kiste mit der Bombe, als Celestine mit dem ahnungslosen Töpfer im Schlepptau hereinplatzte.
»Jetzt ist Krieg!«, sagte Celestine.
»Tatsächlich?«, fragte Nombeko.
»Mit der CIA ?«, fragte der Töpfer.
»Warum hast du die Nummernschilder von meinem Auto unterm Arm?«, fragte Holger.
»Die sind doch gestohlen«, sagte die junge Zornige. »Ich dachte mir, dass …«
In dieser Sekunde brach über ihren Köpfen ein Höllenlärm los. Das war
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