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Die Anatomie des Todes

Die Anatomie des Todes

Titel: Die Anatomie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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stehende Sonne, die immer wieder durch die rasch vorüberziehenden Wolken lugte, ließ die Schatten über die Dächer tanzen.
    Die Häuser glichen zum Verwechseln denen des Heringsviertels, allerdings mit dem unübersehbaren Unterschied, dass diese vier Bungalows frisch renoviert waren. In ihren Pastellfarben schienen sie regelrecht über dem Wasser zu schweben und strahlten etwas Unwirkliches, fast Psychedelisches aus. Hier hatte ganz offensichtlich jemand Zeit und Geld investiert, um die Häuser zu modernisieren. Maja tippte aufs Gaspedal und ließ den Wagen langsam weiterrollen.
    Doch erst als sie das vorderste Haus erreichte, sah sie den großen, schwarzen BMW, der in dem neu gebauten Carport stand. Maja stieg aus, ließ aber bewusst den Motor laufen und die Tür angelehnt. Sie spähte den Weg hinunter, der sich einige hundert Meter weiter als Sackgasse entpuppte, konnte jedoch keine weiteren Autos entdecken.
    Während sie mit einer Hand ihre Arzttasche hielt und in der anderen den Injektor, der sich in ihrer Manteltasche befand, überquerte sie den Kiesweg und ging auf die Einfahrt zu. Der Kofferraum sowie die Seiten des BMW waren mit Staub und Schmutz bedeckt. Das hintere Nummernschild war nahezu unleserlich, doch sie sah, dass es kein norwegisches Kennzeichen war.
    Vor der Haustür blieb sie einen Moment stehen, ehe sie den Türklopfer aus Messing nahm, der die Form eines Ankers hatte. Sie klopfte, steckte die Hand sofort wieder in die Tasche und griff nach dem Injektor. Schritte näherten sich im Haus. Die Tür öffnete sich, und Maja blickte in ein bärtiges Gesicht. Der Mann starrte sie mit wilden Augen an, worauf Maja unwillkürlich einen Schritt zurücktrat.
    Â»Sind Sie die Ärztin?«, fragte der Mann auf Deutsch.
    Â»Bitte?«

    Â»Doctor … you the doctor?«
    Sie nickte zögerlich.
    Â»Kommen Sie rein, kommen Sie rein«, sagte er wieder auf Deutsch. Der Mann stieß die Tür weit auf und winkte Maja energisch ins Haus.
    Sie legte den Kopf schief und versuchte einen Blick ins Innere des Hauses zu erhaschen.
    Â»Kommen Sie!«, sagte der Mann.
    Maja musterte ihn kurz. Er war vermutlich Ende dreißig und schmächtig, doch mit einem beginnenden Spitzbauch, über den sich die Jacke seines Fred-Perry-Trainingsanzugs spannte. Er trug keine Schuhe, hatte aber ein Paar alte Skisocken an. Es würde also kein Problem sein, vor ihm davonzulaufen. Sollte es sich um einen russischen Auftragskiller handeln, verbarg er es glänzend. Sie folgte ihm ins Haus.
    Als sie das helle Wohnzimmer betrat, ließ sie den Injektor los. Auf dem Sofa schlief ein kleiner Junge, der in eine geblümte Decke eingewickelt war. Neben ihm saß seine Mutter in einem Korbstuhl und strich ihm über die Stirn.
    Â»Unser Sohn … very sick … from this morning«, sagte der Mann.
    Maja gab der Frau, die unsagbar müde aussah, die Hand und setzte sich vorsichtig zu dem Jungen auf das Sofa.
    Maja schätzte ihn auf vier Jahre. Seine langen, blonden Haare klebten ihm an der fiebrigen Stirn. Als Maja die Decke ein wenig nach unten zog, spürte sie die Hitze, die seinem Körper entstieg. Sie hauchte auf das Stethoskop, um es anzuwärmen, ehe sie es ihm behutsam auf die Brust legte. Der Anblick des Jungen löste etwas in ihr, das Maja schon lange nicht mehr gespürt hatte und sich nun im Takt seiner Atmung bemerkbar machte. Jeder Atemzug schien von einem Flüstern begleitet zu werden, als sage er einen unschuldigen Kinderreim auf.
    Als der Junge aufwachte und die Augen öffnete, lächelte
sie ihn an. Er warf ihr einen neugierigen Blick zu, ehe er sich zu seiner Mutter umdrehte. Er begann ein wenig zu weinen, und die Mutter strich ihm über die Stirn.
    Es war keine schwere Erkrankung zu diagnostizieren. Auch der Junge war von der allgemeinen Grippewelle erfasst worden. Die Eltern hatten eine Lebensmittelvergiftung befürchtet, weil er am Morgen sehr viel Frischkäse gegessen hatte. Maja gab ihnen ihre private Handynummer und sagte, sie könnten sie jederzeit anrufen, falls sich der Zustand ihres Sohnes wider Erwarten verschlechtere.
    Maja ließ sich zeigen, wo das Bad war, und wusch sich die Hände. Ebenso wie der Rest des Hauses war auch das Badezimmer bis ins kleinste Detail renoviert und gestylt worden  – von den geblümten Dekorleisten bis zu den Messingarmaturen der Badewanne. Doch Maja fiel auf, in

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