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Die Anatomie des Todes

Die Anatomie des Todes

Titel: Die Anatomie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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Trance sah sie, wie seine Hand in die Jackentasche glitt. Als sie wieder herauskam, funkelte ein Messer in der Dunkelheit. Sie sprang auf die Straße und versuchte in einem Bogen um ihn herumzulaufen, doch er erkannte ihre Absicht und schnitt ihr blitzschnell den Weg ab. Ohne darüber nachzudenken, schleuderte sie ihm die Flasche entgegen und traf ihn an der Brust, ehe die Flasche auf dem Asphalt in Scherben ging.
    Sie griff panisch nach dem Injektor in ihrer Tasche, aber er war nicht da. Der Injektor ist in der Arzttasche – im Auto – auf dem Parkplatz – auf der anderen Seite der Brücke – weit, weit weg, schoss es ihr durch den Kopf.
    Sie drehte sich um und lief die Brücke wieder hinauf. Jetzt waren die Beine ihre einzige Verteidigung. Ihre einzige Chance. Sie musste versuchen, die Stadt auf der anderen Seite zu erreichen. Bevor er sie einholte. Sie rannte, so schnell sie konnte, wollte ihn damit überraschen und sich einen kleinen Vorsprung verschaffen. Sie hörte sein Keuchen und das Trampeln seiner Stiefel hinter sich, wagte aber nicht, sich umzudrehen. Sie musste einfach nur weiterrennen. Gegen den stürmischen Wind ankämpfen. Alles geben. Die heftige Steigung ließ die Milchsäure direkt in die Oberschenkel schießen und die Muskeln verhärten. Es fühlte sich an, als liefe sie im Wasser und käme kaum vorwärts. Jeden Augenblick rechnete sie damit, seine Hand in ihrem
Nacken zu spüren. Sie blickte panisch über die Schulter. Er war drei, vier Meter hinter ihr, vielleicht fünf, wenn sie Glück hatte. In der Ferne hörte sie erneut das Metallschild lärmen. Sie versuchte, sich durch das rhythmische Schlagen anfeuern zu lassen, musste ihren Vorsprung unbedingt vergrößern.
    Als sie den Scheitelpunkt der Brücke erreichte, blickte sie plötzlich in zwei helle Scheinwerfer. Sie gehörten zum schwarzen Lincoln Navigator, der mitten auf der Brücke angehalten hatte. Wie ein geblendetes Tier blieb sie stehen und starrte gebannt ins grelle Licht. Sie drehte sich um. Schwarze Punkte tanzten ihr vor den Augen, und durch die Punkte hindurch nahm sie den Mann wahr, der ihr langsam entgegenschritt. Er schien es nicht mehr eilig zu haben. Maja drehte sich zum schwarzen Van um, versuchte sich mit der Hand vor dem Scheinwerferlicht zu schützen und lief zum Brückengeländer. Das Schlagen des Metallschilds gellte ihr in den Ohren. Die Autotür öffnete sich, der Fahrer stieg aus. Mit seinen slawischen Zügen und dem kahlen Schädel erinnerte er an den Mann mit dem Messer. Beide waren dunkel gekleidet und trugen Schnürstiefel. Die beiden Männer näherten sich ihr langsam und blieben ein paar Meter von Maja entfernt stehen. Sie drückte sich an das Geländer. Der Fluchtweg war ihr abgeschnitten. Verzweifelt blickte Maja sich um. Sie war allein mit den beiden Männern auf der Brücke. Die beiden machten einen schnellen Schritt auf sie zu. Sie zuckte zusammen.
    Â»Haut ab!«, rief sie, doch ihre Stimme zitterte.
    Die Männer näherten sich ihr von beiden Seiten wie zwei Hyänen, die ihre Beute einkreisten.
    Sie spürte das kalte Metall des Geländers an ihrem Rücken. Wollten sie sie vergewaltigen? War es das? Auf dem ölverschmierten Boden im hinteren Teil ihres Wagens?
    Nein! Sie würde um sich schlagen, schreien, kratzen und
beißen und sich so entschlossen zur Wehr setzen, dass sie hoffentlich von ihr abließen.
    Â»Jump!«, sagte der Mann mit osteuropäischem Akzent, der sie die Brücke hinaufgejagt hatte.
    Das war es also, was sie von ihr wollten. Sie sollte von der Brücke springen. Ein fingierter Selbstmord.
    Â»Jump, bitch!«, rief der andere.
    Maja warf einen verzweifelten Blick über das Geländer. Achtundzwanzig Meter unter ihr toste das dunkle, eiskalte Meer. Würde der Aufprall sie nicht sofort töten, würde die Kälte es tun. Sie würde keine Chance haben, ans Ufer zu schwimmen, ehe ihr Körper einen Schock erlitt. Der Sauerstoff in ihrer Lunge gefrieren, ihr lebloser Körper auf den Meeresgrund sinken und zwischen rostigen Fahrrädern und gestohlenen Autos liegen bleiben.
    Â»Last chance!«, sagte der eine und zeigte ihr das Messer.
    Vor Angst war sie wie gelähmt. Sie konnte weder Widerstand leisten noch auf das Geländer klettern. Ohne jede Vorwarnung ging der Mann plötzlich zum Angriff über. Mit einer Hand griff er nach dem

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