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Die Anatomie des Todes

Die Anatomie des Todes

Titel: Die Anatomie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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welchem Kontrast die wenigen, einfachen Möbel zur teuren Grundausstattung des Hauses standen. Außerdem ließ die Einrichtung jeden privaten, individuellen Charakter vermissen, als werde das Haus nur hin und wieder benutzt. Wer mochte der Besitzer sein?
    Maja hätte normalerweise 2500 Kronen als »Touristentarif« in Rechnung gestellt, doch als der Mann sie an der Haustür fragte, wie viel sie bekäme, entgegnete sie, das ging schon so in Ordnung. »No charge.«
    Â»Danke sehr«, entgegnete der Mann auf Deutsch und ließ sein gezücktes Portemonnaie sofort wieder in der Tasche verschwinden.
    Maja sagte, wie schön das Haus sei, und fragte auf Englisch, ob es ihm gehöre.
    Der Mann schüttelte den Kopf. »No, no. Rented.«
    Sie lächelte ihn an und fragte, über welche Agentur er es gemietet habe.
    Â»Keine Agentur, privat«, entgegnete er. »Mr. Einar Solstrøm, you know him?«

    Maja nickte. »I know him.«
    Â»Please say hallo to him.«
    Das wollte sie gerne tun.
    Maja schlenderte über den Kiesweg zu ihrem Mercedes zurück. Der Gestank der Abgase mischte sich mit dem salzigen Geruch des Meeres. Sie öffnete die Kofferraumklappe, legte den Injektor in die Arzttasche und stellte sie in den Kofferraum. Sie betrachtete die vier Häuser, die wie farbige Perlen an einer Schnur von den letzten Strahlen der Sonne beleuchtet wurden. Es war gut möglich, dass alle ein und denselben Besitzer hatten, der sie vermietete. Bewohnt von Touristen, die Herr Solstrøm von den Bergen ans Meer lotste, obwohl er genau wusste, dass Ferienwohnungen im Stadtgebiet verboten waren. Ein Verbot, das ihm schon aus beruflichen Gründen wohlbekannt sein dürfte. Sein bunter Schlips passte im Grunde hervorragend zu den pastellfarbenen Häusern, die er illegal vermietete. Ansonsten hielt er sich in seinem Maklerbüro in der Haraldsgata auf.
    Â 
    Im Skudekroen saß Maja vor dem Gericht des Tages, das ihr Lennart soeben mitsamt einer Flasche Chablis serviert hatte, den er nur auf Majas inständige Bitte hin auf die Karte genommen hatte.
    Das Fischgratin schmeckte abgestanden, als wäre es aus den Resten des Tages zusammengerührt worden, doch zumindest war es warm und hatte genug Salz, um Majas riesigen Hunger zu stillen.
    Es war auch eine Art Siegesmahlzeit, denn sie hatte klare Beweise dafür gefunden, dass im Heringsviertel illegale Dinge vor sich gingen. Was in Verbindung mit dem ökonomischen Gewinn ein klassisches Motiv ergab. Die ökonomische Seite hatte durch die Vermietung der Ferienhäuser ein neues Gesicht angenommen. Durch die festen Einnahmen, die Woche für Woche erzielt wurden, würden sich
die Investitionen schon in wenigen Jahren amortisiert haben. Es handelte sich um eine veritable Geldmaschine, deren Ausbau entlang der Wasserkante sicher nicht lange auf sich warten ließ. Maja sah nur zwei Hindernisse, die der Erweiterung von Solstrøms Projekt im Wege stehen könnten. Das größte Hindernis bestand darin, dass sich die Umsetzung auf lange Sicht nicht geheim halten ließ. Wenn das Südufer der Hafeneinfahrt erst von blassen Touristen bevölkert wurde, die auf ihren pastellfarbenen Terrassen in der Sonne lagen, würde es Polizisten, Politikern und der Presse gleichermaßen zu Ohren kommen, dass hier gegen das Gesetz verstoßen worden war. Das zweite Hindernis bestand in dem finanziellen Aufwand, der erforderlich war, um das Projekt voranzutreiben. Vor Majas geistigem Auge nahm ein neues Muster Gestalt an, ein filigranes Netz, dessen Struktur sie noch nicht durchschaute. Irgendwo im Verborgenen musste es Menschen geben, die es unerkannt weiterwebten. Personen, die durch Macht und Geld geschützt waren. Ein kleiner, exklusiver Kreis, der die Entwicklung der Stadt steuerte und weitreichende Entscheidungen traf.
    Maja erschien es selbstverständlich, dass die Sache auf diese Weise anwuchs. Und je größer sie wurde, desto skrupelloser räumte man auftauchende Hindernisse aus dem Weg. Im Vergleich zur Wiedergeburt des Heringsviertels waren die Leben von Lilleengen und Kvam nichts wert gewesen.
    Â 
    Es war zehn vor elf geworden, als Maja aus dem Skudekroen auf die Straße trat. Die ersten Betrunkenen hatten sich an der Theke eingefunden und sie mit verschiedensten Angeboten überhäuft, als sie sich zum Gehen anschickte. Warum dachten nur so viele Männer, dass der Alkohol sie attraktiver machte?

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