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Die Anatomie des Todes

Die Anatomie des Todes

Titel: Die Anatomie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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langjähriges finanzielles Engagement erfordern, um den sozialen Status des Heringsviertels nachhaltig aufzuwerten. Um den Marktwert der Häuser wirklich zu erhöhen, bedurfte es noch anderer Dinge als neuer Fenster und geflickter Dächer. So viel hatte sie durch das Gespräch mit Krog begriffen. Und vor allem war ihr immer noch ein Rätsel, wer von einem solchen Engagement profitieren würde. Wo lag das Motiv?
    Â 
    Einen Tag nach ihrem Besuch beim Maklerbüro Hjemstavn wurde Maja von einem heftigen Migräneanfall außer Gefecht gesetzt. Der bohrende Kopfschmerz hatte ferner den Nebeneffekt, dass sie sich zunehmend beobachtet fühlte. Zwar hatte sie weder den Immobilienmakler noch den schwarzen Lincoln Navigator ein weiteres Mal zu Gesicht bekommen, aber die Art und Weise, mit der sie von vielen Ladenbesitzern und Passanten inzwischen angestarrt wurde, bereitete ihr Unbehagen. Sie begegneten ihr immer noch mit einer gewissen Höflichkeit, doch Maja wurde das Gefühl nicht los, dass jeder ihrer Schritte sorgsam registriert wurde.

26
    Es war Mittwochnachmittag, ihre Migräne hatte sich wieder verzogen, und Maja war seit den frühen Morgenstunden von einem Hausbesuch zum nächsten geeilt, um ihren überfüllten Terminkalender abzuarbeiten. Sie hatte nicht einmal eine Mittagspause machen können, was ihr im Grunde egal war. Warum eine Pause machen, um die paar Pillen hinunterzuspülen? Heute standen zu gleichen Teilen Benzos und Valium auf dem Menüplan, ergänzt durch die Tabletten gegen Übelkeit, deren Namen sie sich nicht merken konnte. Sie spülte alles zusammen mit eiskaltem Apfelsaft hinunter.
    Mittwoch und Freitag waren die beiden Tage in der Woche, die für ihre Patientenbesuche reserviert waren. Doch im Grunde reichte die Zeit dafür nicht aus, und sie hätte allein mit den vielen Hausbesuchen eine Ganztagsstelle ausfüllen können. Doch auch in diesem Punkt war der landesweite Ärztemangel allzu offensichtlich. Selbst Milten war gezwungen, sein Büro hin und wieder zu verlassen, wenngleich er sich natürlich die wohlhabenden Gegenden um die Øvregata und hinunter zum Fjord vorbehielt, den kombinierten Whisky- und Bibelgürtel der Stadt sozusagen. Es handelte sich Milten zufolge um eine Klientel, die seiner spezifischen Fähigkeiten bedurfte.
    Â»Diskretion und Respekt«, wie seine leise Stimme präzisierte. Abgesehen von der Stadtmitte war Maja für Haralds Have und die übrigen Einrichtungen des sozialen Wohnungsbaus zuständig, die sich jenseits der Umgehungsstraße befanden.

    Ihr Handy meldete sich, es war Linda aus der Praxis. »Kannst du noch einen weiteren Patienten einschieben?«
    Maja stöhnte auf. »Wen denn?«
    Sie hatte bereits ihren Kugelschreiber gezückt, um die Adresse in den Block einzutragen, der auf ihrem Schoß lag.
    Â 
    Â»Ich habe den Namen nicht richtig verstanden«, antwortete Linda. »Jemand mit Bauchschmerzen, er sprach nur gebrochen Englisch.«
    Maja machte sich rasch Notizen. »Das kann aber noch ein paar Stunden dauern. Wie ist die Adresse?«
    Â»Fyrbødervei 4. Weißt du, wo das ist?«
    Â»Ja«, antwortete Maja leise.
    Maja fuhr über die Brücke. Sie hatte keine Lust, mit diesem Hausbesuch bis zum Einbruch der Dunkelheit zu warten. Obwohl sie noch nie am Fyrbødervei gewesen war, wusste sie genau, wo die Straße lag, nämlich am Rande des verchromten Auspuffsrohrs, zu dem sich die Stadt in ihrer Vorstellung geformt hatte. Dort lag gewissermaßen der Hintereingang zum Heringsviertel, das einsame Bollwerk der Stadt gegen das Meer, an dem einem nur die großen Kühlhäuser Gesellschaft leisteten. Öder und verlassener hätte ein Ort nicht sein können, trotzdem setzte Maja ihren Weg durch das Heringsviertel unbeirrt fort.
    Sie war darauf vorbereitet, womöglich durch einen fingierten Hausbesuch in einen Hinterhalt gelockt zu werden. Deshalb hatte sie immer noch den Injektor mit der Fentanylampulle in der Tasche.
    Sie passierte den Platz mit den alten Kühlhallen, die abgesehen von ein paar Möwen, die um irgendwelche Abfälle kämpften, vollkommen verlassen dalagen. Hinter den Hallen bog sie nach rechts auf den schmalen Kiesweg ab, der sich Fyrbødervei nannte und bis zur Hafeneinfahrt erstreckte. Maja sah bereits die vier Flachbauten, die nebeneinander
am Wasser lagen. Sie hielt an und betrachtete die Gebäude. Die niedrig

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