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Die Anatomie des Todes

Die Anatomie des Todes

Titel: Die Anatomie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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während sie aß.
    Das Zittern machte sich anfangs nur schwach bemerkbar. Es begann in den Knien, die sie nicht länger ruhig halten konnte. Je mehr sie es versuchte, desto krampfartiger schlugen sie gegeneinander. Schließlich nahmen die Zuckungen den ganzen Körper in Besitz, der völlig außer Kontrolle geraten war. Der Burger in ihren Händen fiel auseinander. Pommes, Brötchen, Salat und Hackfleisch landeten auf der Bluse und in ihrem Schoß. Auch ihren Tränen musste sie nun freien Lauf lassen, und mit den Tränen kam die Übelkeit, die das Essen in ihrem Mund anschwellen ließ. Sie riss die Autotür auf, lehnte sich hinaus und übergab sich.

    Mehrere Minuten lang schluchzte und kotzte sie im hellen Schein, den das überdimensionale M auf den Parkplatz warf, während Robbie Wiliams von der norwegischen Gruppe Aha abgelöst wurde. Sie hasste dieses Land. Warum mussten die hier alle so krank sein? An ihren Unterhosen riechen? Ihr unter den Händen wegsterben? Ihr den Kopf einschlagen? Verfluchtes, gottverdammtes Scheißnorwegen!

5
    Obwohl es nicht ihr Zuhause, geschweige denn ihr fester Arbeitsplatz war, fühlte sie sich ihrem Behandlungszimmer doch so weit verbunden, dass sie den Einbruch regelrecht als persönliche Kränkung empfand. Das Reinigungspersonal hatte einen großen Bogen um ihr Zimmer gemacht, was vermutlich nicht an der Sorge lag, wertvolle Spuren zu verwischen. Wahrscheinlich wollte es die Tarifvereinbarungen nicht verletzen. Es passte ihr ausgezeichnet, sich ihren Patienten erst nach der Mittagspause zu widmen. So hatte sie zunächst Gelegenheit, ihren Arbeitsplatz und ihre Laune wieder in Ordnung zu bringen. Sie konnte es kaum erwarten, bis es Donnerstag war und sie Reidar endlich gehörig in die Mangel nehmen konnte.
    Angesichts des Einbruchs verzichtete Milten ausnahmsweise auf lange Monologe. Stattdessen stand Maja im Mittelpunkt. Sie informierte ihre Kollegen in aller Kürze darüber, was in ihrem Büro geschehen war, und teilte allen Blindheims Telefonnummer mit, falls irgendjemand wider Erwarten weitere Diebstähle entdecken sollte. Für einen Moment hatte sie in Erwägung gezogen, ihre eigene Arzttasche verschwinden zu lassen – schon allein um die Menge der Medikamente zu vertuschen, die sie selbst entwendet hatte. Aber dann hatte sie es bei dem Gedanken belassen.
    Nach der Morgenbesprechung war Milten zu ihr gekommen und hatte sich nach ihrem Zustand, vor allem aber nach Blindheims Ermittlungen erkundigt. Er gab sich fürsorglich, doch war ihm seine Enttäuschung darüber, dass sie ihn nicht sofort informiert hatte, deutlich anzumerken.

    Â»Arne und ich sind schließlich alte Schulkameraden.«
    Maja hielt den Mund und verschwand so bald wie möglich wieder in ihrem Behandlungszimmer. Sein alter Freund Arne würde ihn sicher bald anrufen. Dann konnte er ihm endlich – selbstverständlich unter dem Siegel der Verschwiegenheit  – einige Namen verdächtiger Patienten mitteilen. Sie gab den Patientenakten, die immer noch auf dem Fußboden lagen, einen kräftigen Tritt. Es ging nicht so sehr darum, was Milten sagte, sondern wie er es sagte: mit seiner klammen Hand auf ihrer Schulter, seinem herablassenden Lächeln und vor allem seiner kaum vernehmbaren Stimme, die sie zwang, ganz dicht an ihn heranzurücken.
    Sie hob die Unterlagen auf. Das Chaos sah schlimmer aus, als es in Wirklichkeit war. Nachdem sie die einundzwanzig Patientenakten alphabetisch geordnet hatte, war sie wieder behandlungsbereit. Schon möglich, dass der Einbrecher auf professionelle Weise hier eingedrungen war. Weitere Hinweise auf eine überdurchschnittliche Intelligenz fanden sich allerdings nicht. Der Täter hatte jede Menge Zeit gebraucht, um die Archivschränke aufzubrechen, in denen sich nichts anderes als die Patientenakten befanden. Die Glasvitrine mit dem bescheidenen Vorrat an Desinfektionsmitteln, Antibiotika und Ähnlichem (in deren Schloss zudem der Schlüssel steckte) hatte er nicht angetastet. Das stärkste Medikament in der ganzen Vitrine war vermutlich eine Schachtel Paracetamol.
    In dieser Hinsicht wäre ein Einbruch im Büro von Edel Raaholdt schon lohnender gewesen, in deren Vorratsschrank sich Arzneien für das gesamte Ärztehaus befanden. Dieser Schrank war wie eine Festung, die sich nur einnehmen ließ, wenn man extreme Gewalt anwendete oder die

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