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Die Anatomie des Todes

Die Anatomie des Todes

Titel: Die Anatomie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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Platzierung der einzelnen Knochen zu merken, bis sie sich daran erinnerte, wie sie als Kind ganze Schachpartien auswendig gelernt hatte. Sie musste nur jeden Knochen mit einem beliebigen Gegenstand in Verbindung bringen. Den Oberschenkelknochen mit einer Karaffe, den Unterarm mit einem Briefumschlag und so weiter, bis sie das gesamte Pensum bildhaft vor Augen hatte. Die einzelnen Bilder der verschiedenen Lerninhalte vereinigten sich später zu einem rosafarbenen Gesamtbild, das den Stoff ihres gesamten Medizinstudiums umfasste und wie der Mercedes ihres Großvaters aussah, allerdings in stark gegliederter Form.
    Mnemotechnisch betrachtet hatte das Osloer Straßennetz die Gestalt einer blauen Banane angenommen. Das heimische Wohnviertel in Birkerød glich einer Küchenrolle, die Überstundenverordnung der Norwegischen Ärztekammer einer grünen Mandel, wohingegen ihr Dienstschema am Skansen wie eine türkisfarbene Satteltasche aussah. Der Einsatzbericht von letztem Dienstag: ein Minirock. Und so
hielt sie es mit allen Dingen, an die sie sich erinnern musste. Durch die gegliederten Bilder war sie in der Lage, alles in kürzester Zeit gedanklich zu ordnen und gewissermaßen zu katalogisieren. Natürlich war dies keine unfehlbare Methode. Aber es war ein System, das sie in die Lage versetzte, sich oft rascher und besser zu orientieren als ihre Kollegen, was sowohl für den Straßenverkehr als auch für Archive und Diagnosen galt.
    Diese Stadt hatte eine zylindrische Form wie das glänzende Auspuffrohr eines V8. Und es war dessen verchromte Oberfläche, auf dem sich nach und nach die c/o-Adressen der Bohrarbeiter abzeichneten. Maja fand insgesamt achtzehn Atteste, inklusive dem von Sverkmo. Die Häuser befanden sich allesamt im Heringsviertel, die meisten von ihnen direkt am Hafen, die übrigen in unmittelbarer Nähe von Jo Lilleengens früherer Adresse. Sie hatte erfahren, was sie wissen wollte.
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    Die klare Wintersonne versuchte den UV-Filter ihrer YSL-Brille zu durchdringen. Das Licht zwang Maja dazu, ihre teure Grace-Kelly-Brille aufzusetzen, obwohl sie ihr nicht mehr gefiel. Zu sehr erinnerte sie Maja an ihre Zeit in Lyngby mit seinen versnobten Einwohnern und dem stinkfeinen Milieu.
    Hier, im ärmlichen Heringsviertel, hätte die Brille keinen größeren Kontrast zu den baufälligen Baracken zu beiden Seiten der Straße bilden können. Wären die parkenden Autos am Straßenrand nicht gewesen, hätte man nicht sehen können, welche Häuser bewohnt waren und welche lediglich auf die Ankunft der Bulldozer warteten. Und wenn die Straßen der Stadt dem Auspuffsystem eines V8 glichen, befand sie sich nun auf dem rostigen und dreckverkrusteten Fahrgestell, zwischen Auspufftopf und Krümmer. Und wenn das Heringsviertel identisch mit diesem undichten
Zwischenstück war, dann war Osebakken, wohin sie jetzt abbog, der armselige Lappen, der um die durchgerostete Stelle gewickelt war.
    Maja folgte dem Verlauf der Straße, an deren Ende sie nach links auf die Sundgata abbiegen wollte, die parallel zur Hafeneinfahrt verlief. Hier hatten die meisten der Bohrarbeiter ihre Häuser gekauft.
    Vielleicht war sie deshalb ein wenig enttäuscht über den Anblick, der sich ihr bot, als sie das erste der achtzehn Häuser auf ihrer Liste entdeckte. Im Grunde handelte es sich eher um einen Geräteschuppen als ein Wohngebäude. Jede dänische Gartenlaube machte einen solideren Eindruck als diese Bretterbude, die auf einem verwilderten Grundstück stand. Sie wusste nicht, was sie sich erwartet hatte, aber zumindest eine Behausung, die ein Mindestmaß an Wohnlichkeit und Persönlichkeit aufwies, und nicht so eine anonyme Baracke.
    Maja blieb vor dem nächsten Haus auf ihrer Liste stehen und spähte in den Garten, der einer Schrotthalde glich. Das verlassene Haus war kaum besser instand als das vorherige, obwohl es etwas größer war. Im Sprossenfenster auf der Giebelseite, dessen Scheibe zerbrochen war, flatterte eine Gardine wie eine weiße Fahne, als wolle das Haus kapitulieren.
    Sie arbeitete ihre Liste weiter ab. Es war schwierig, die einzelnen Grundstücke voneinander zu unterscheiden. Alle wirkten gleichermaßen verfallen und unbewohnt, als bewege man sich durch einen Friedhof für Häuser. Ein Ort, an dem unverkäufliche Immobilien ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten. Doch der Handel mit diesen Baracken bewies das

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