Die andere Seite des Glücks
schnell wieder aufgehört, wie er angefangen hatte, und die Sonne trocknete bereits die Pfützen des Parkplatzes vor dem Laden, wo es geschäftig zuging. Eine Frau mit kurzen, dunklen Haaren, in cremefarbener Hose und blütenweißer Bluse, ein paar Männer mit Fotoausrüstung und eine jüngere Frau in Jeans und mit zwei großen Blumenvasen in den Händen warteten vor dem Laden. Ich folgte ihnen hinein. David stellte mich den Fotografen vor, deren selbstsicherer Umgang mit Licht und Kamera mich an Joe erinnerte.
»Ella, das ist Blaire Markham«, stellte David mich der dunkelhaarigen Frau vor. »Sie schreibt den Artikel für
Real Simple
.«
Blaire schüttelte mir lächelnd die Hand, die sich kühl in meiner schwitzigen anfühlte. »Ihre Geschichte ist wirklich inspirierend. Es tut mir sehr leid, dass Sie Ihren Mann verloren haben.«
»Danke.« Ich spürte, wie sich Schweißperlen auf meiner Oberlippe bildeten.
»Wir porträtieren gern Frauen, die dem Schicksal trotzen und sich ein Leben aufbauen, das Ausdruck ihrer Persönlichkeit ist. Deshalb wollen wir in unserer Illustrierten über Sie schreiben.«
Ich nickte mehrere Male, hatte einige Mühe, ein dickes fettes
HA !
zurückzuhalten.
Joe senior und Marcella betraten den Laden in ihrer Kirchenkluft und marschierten schnurstracks nach hinten zu den Brettspielen. Marcella hielt die Arme über der Brust verschränkt; ihre schwarze Lacklederhandtasche hing in der Armbeuge. David stellte sie Blaire vor.
»Wunderbar!«, sagte Blaire. »Ich möchte vor dem Laden eine Aufnahme mit allen Generationen machen, die wir dann neben der hier abdrucken.« Sie zeigte auf das gerahmte Foto mit Joe, Joe senior und Sergio, das neben Joes Schürze an der Wand hing. »Wo sind Ihre Kinder? In
Real Simple
bringen wir gern viele Familienfotos zu unseren Berichten, und die Kinder sind ja ein ganz wichtiger Teil Ihrer Geschichte.«
»Das ist leider nicht so einfach«, sagte ich. »Genaugenommen ist es sogar sehr kompliziert.« Ich stieß ein nervöses Lachen aus. Es wurde still im Raum, und während Blaire auf meine Erklärung wartete, sagte Marcella: »Von wegen alle Generationen. Ella ist nicht meine Tochter. Und sie ist nicht die Mutter meiner Enkel.«
David sagte: »Ma, das ist nicht fair.«
»Es ist vielleicht nicht fair, aber die Wahrheit. Was will sie überhaupt hier? Dieser Laden ist für meine Enkel, die jetzt nicht mehr zu ihr gehören. Für eine Frau, die auf einmal so versessen darauf ist, die Wahrheit zu sagen, hat sie ein paar sehr wichtige Einzelheiten vergessen. Wenn du mich fragst.«
»Was aber niemand getan hat, wenn ich mich recht erinnere.« David lachte gezwungen. In dem Moment klingelte der Timer vom Herd, und er rief: »Und wieder rettete ihn die Schulglocke! Zimtkekse für alle.« Er holte das Blech aus dem Backofen, stellte es auf den Tisch und schenkte Kaffee aus. »Ma, Pop, setzt euch«, sagte er. »Ella, komm her und mach dich nützlich.« Er stellte einen Korb mit Orangen und einen Glaskrug auf die Theke. »Jetzt bitte ein Foto als Beweis, dass es wirklich Orangensaft aus frisch gepressten Orangen gibt. Hier, halt mal das Messer.«
Ich nahm ihm das Messer ab. Die Orange lag schlüpfrig in meiner feuchten Hand. Die Fotografen richteten das Licht aus, wechselten Positionen, Blickwinkel – versuchten, mich so gut wie möglich aussehen zu lassen.
»Ich kann das nicht«, sagte ich.
»Oh, mein Fehler.« David gab mir ein anderes Messer. »Das ist viel schärfer.«
»Nein, David, ich meine das Ganze hier. Ich kann nicht so tun, als wäre alles Orangesaft und Zimtkekse, wo in Wirklichkeit alles nur schrecklich ist. Ich kann nicht irgendwelche hübschen Geschichten erzählen und die Realität ausblenden, nur damit die Leute das sehen, was sie sehen wollen.« Blaire hatte gerade Stift und Notizblock aus der Tasche geholt und den Kassettenrecorder angestellt, als wären wir irgendwelche Berühmtheiten und sie der
National Enquirer
– als würde sich irgendwer für das Herzeleid in unserer Familie interessieren.
»Ella! Ist das dein Ernst?« David legte den Kopf zur Seite.
»Ja, ist es.« Ich wandte mich Blaire zu. »Marcella hat recht. Ich bin nicht Annies und Zachs Mutter. Ich bin ihre Stiefmutter. Ihre richtige Mutter hat gerade das Sorgerecht für sie zugesprochen bekommen und sie mit nach Las Vegas genommen. Mein Ehemann ist ertrunken. Und der Laden hier? Der war in Schulden ertrunken. Mit der Umgestaltung sind wir ein großes Risiko eingegangen, denn wir
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