Die andere Seite des Glücks
Swimmingpool. Ich lächelte, stellte mir vor, wie Zach eine Hausanzeige aufsetzte:
Ihr Traumhaus erwartet Sie. Genießen Sie tägliche Spaziergänge die Treppe hoch und runter!
An diesem Abend und am nächsten Tag lachte ich viel. Was mir bewusst machte, wie trübsinnig ich seit Joes Tod gewesen war, auch schon vor dem Wegzug der Kinder, aber danach noch um vieles schlimmer. Jetzt wo sie bei mir waren, machte mich alles glücklich, jede ihrer Beobachtungen und Gesten, jedes falsch ausgesprochene oder neue Wort, sämtlichen Nuancen ihrer sich stetig entwickelnden Persönlichkeit. Ich wollte sie filmen, um dann auf REPLAY zu drücken, wenn sie nicht bei mir sein würden. Doch wir waren die einzige mir bekannte junge Familie ohne Videokamera, denn zu meiner Überraschung hatte Joe keine gewollt. Er sagte, es wäre schon schlimm genug, dass er so viel Zeit mit dem Fotoapparat vorm Gesicht verbrachte.
»Okay«, hatte ich gesagt, »dann übernehme ich das Filmen.«
»Dann würden wir beide das Leben beobachten. Und wer soll es dann leben?«
Ich dachte über seine Worte nach und schwor mir, den Moment zu genießen und alles in meinem Kopf aufzubewahren, in meinem Herzen. Ich wollte mich daran erinnern, wie Annie mit den Fingern schnippte, an Zachs stille Faszination mit seinem Popel, wie er mit Callie tanzte oder seine Hüften wie ein Chippendale-Tänzer schwang. Und wo zum Teufel hatte er das gelernt? Jedesmal, wenn meine Gedanken einen Satz nach vorn machten, zu der Zeit, wenn sie wieder weg wären, stupste ich sie zurück ins Hier und Jetzt.
In der Nacht machte Zach ins Bett, was seit seinem Töpfchentraining vor über einem Jahr nicht mehr vorgekommen war. »In Mamas Haus passiert das immer. Sogar am Tag! Igittigitt!«, sagte Annie.
Zach ließ den Kopf hängen, seufzte und sagte: »Ach, Himmelherrgott.«
Er stand in seiner Dinosaurier-Unterwäsche da, der Oberkörper wirkte länger und hagerer als noch vor einem Monat. Auch sein Haarschnitt ließ ihn älter aussehen. Er war älter. Joes Tod und nun diese enorme Veränderung hatten uns alle altern lassen. Und doch war das Zach, der sich schämte und wie ein Baby fühlte. »Schatz, das war nur ein Unfall«, sagte ich. »Manchmal verursachen viele Veränderungen solche Unfälle. Mach dir keine Sorgen deswegen.«
»Wann gehen wir nach Hause?«, fragte er mich. Zuerst dachte ich, er meine Paiges Haus, und wieder wurde mir bleischwer ums Herz. Doch dann sagte er: »Mir fehlen Nonna und Nonno.«
Ich nahm ihn in die Arme. »Ich weiß es nicht, mein Schatz. Im Moment ist hier unser Zuhause.«
Er sah sich im Zimmer um, seufzte erneut und sagte noch einmal: »Ach, Himmelherrgott.«
Den Samstag verbrachten wir größtenteils am Pool, unterbrochen nur von gelegentlichen Runden mit den Rädern. Zach wollte mit seinem Dreirad auf der Liegeterrasse fahren. Ich erklärte ihm, dass das nicht erlaubt sei und man mit dem Rad nur außerhalb des eingezäunten Bereichs fahren dürfe, doch er schwang sein Bein trotzdem über den Sitz.
»Zach, lass uns erst schwimmen, danach kannst du draußen eine Runde fahren.«
»Aber ich will doch gar nicht auf der Liegeterrasse fahren.«
»Und wo sonst?«
»Im POOL . Genau wie mein U- BOOT .« Er lachte. »Ich fahre ganz runter zu Daddy!«
Ich wollte ihn wieder daran erinnern, dass er mit seinem Dreirad nicht zu Daddy fahren konnte, dass Daddy nicht unten im Wasser lebte. Aber im Moment schien Zach so glücklich und sorglos, dass ich ihn gewähren ließ. So ist das halt, sagte ich mir, manche Menschen sind überzeugt, dass der Himmel über den Wolken ist, und für Zach ist er eben unten im Wasser. Zumindest konnte das Kind selbständig denken.
»Okay. Steig ab vom Dreirad, Captain. Und zwar sofort«, befahl er sich selbst.
Ich wusste, dass Zach nur große Töne spuckte. Annie hatte mir erzählt, dass er noch immer nicht in Paiges Pool ging, und so wollte ich seine Liebe zum Wasser wieder hervorlocken und mit ihm daran arbeiten, wie ich das schon bei uns am Fluss getan hatte. Ich hatte sogar seine Schwimmflügel mitgebracht. Und am Ende des Tages sprang er dann auch wirklich wieder mit flatternden Armen und platschend vom Beckenrand ins Wasser, wo ich ihn mit ausgebreiteten Armen auffing und an mich drückte.
Am Nachmittag, nachdem sie mit ihren Rädern gefahren waren, wollten sie basteln, doch ich hatte aus Elbow bloß Buntstifte und Malbücher mitgebracht, die sie schon bald langweilig fanden. Annie schlug vor, Lesezeichen mit
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