Die andere Seite des Glücks
gefrorenen Kerlen vor? Da ist nicht mehr genug Platz für anderes.«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich kann nichts machen. Doktor Solar muss sie retten.«
Ich frage ihn, wann Doktor Solar denn aufkreuzen würde. Er sah hinaus in den nebelfreien Morgen. »Heute wahrscheinlich.«
Als ich später Wäsche aufhängte, bewunderte ich im Stillen Großmutter Rosemary, wie sie während Sergios Abwesenheit alles zusammengehalten hatte. Fast war ich versucht, so zu tun, als wäre Joe hinter einem Stacheldrahtzaun eingesperrt und nicht auf einem Friedhof begraben. Da stieß Zach plötzlich einen Schrei aus, bei dem ich trotz des warmen Sonnenscheins Gänsehaut bekam. Ich rannte zum Haus. Zach stand auf der hinteren Veranda, das Gesicht puterrot und tränenüberströmt.
»Guck, was ich wegen dir gemacht habe!«, jammerte er.
Auf der Veranda, in der direkten Sonne, standen die sieben Plastikbehälter, die Zach heute Morgen aufgereiht hatte. Die Actionfiguren lagen mit dem Gesicht nach unten im geschmolzenen Eiswasser.
»Jetzt sind sie alle
ERTRUNKEN
!«
»O Schatz …« Warum hatte ich das nicht vorausgesehen?
»Und sie sind
TOT
! Und sie werden nie, nie wieder zurückkommen! Auch nicht, wenn ich groß bin.«
Ich wollte jeden einzelnen der maskierten Kunststoffkörper retten, Batman, den Kreuzritter, und Robin, den Wunderknaben. Ich goss das Wasser aus, wies Zach darauf hin, dass sie ja sowieso übermenschliche Fähigkeiten hatten und ihrem frühzeitigem Tod trotzen konnten. Zach hatte jeden Tag stundenlang mit ihnen gespielt, und ich wünschte mir sehr, dass er das weiterhin tat. Doch er bestand darauf, sie zu begraben, wollte eine Beerdigung für sie haben. Und ich habe nicht weiter versucht, seine Meinung zu ändern, weil ich ja auch alles andere nicht ändern konnte.
Ich hielt meinen schluchzenden Jungen im Arm und half ihm dann, die Plastikleichen hinter dem Hühnerstall zu begraben. Zach fragte nie wieder, wann sein Daddy zurückkommen würde.
Nach und nach begann er den Unterschied zwischen Joes Tod und Paiges Abreise zu verstehen, und dass das Leben aus unzähligen Abschieden besteht.
13. Kapitel
Mitte September kam Annie in die Schule, Zach in den Kindergarten, und wir waren so weit, den Laden wieder zu eröffnen.
Das alte CAPOZZI ’ S MARKET -Schild blieb hängen, aber darunter kam das neue mit DAS LEBEN IST EIN PICKNICK . Der Indian Summer würde immer noch reichlich Picknickwetter bieten, dann folgten die angenehmen Herbsttage, bevor schließlich das Regenwetter begann. Doch selbst im Winter würde es zwischen den Stürmen auch viel Sonnenschein für Picknickliebhaber geben. Und während der Regenstürme würde der angebaute Wintergarten einen Zufluchtsort bieten. Außerdem stellten wir runde Tische mit Stühlen auf die überdachte vordere Veranda und in den Laden nahe dem Holzofen.
Es gab weniger Regalgänge, dafür eine Verkaufstheke, die sich über die ganze Wand erstreckte. Wir hatten sie mit vielen Salatvariationen bestückt, von Hühnchen-Curry-Salat bis Auberginen-Nudelsalat, und natürlich gab es auch den berühmten Elbow-Makkaronisalat mit Salami, »berühmt« wegen der ellbogenförmigen Makkaroni. Außerdem boten wir alle erdenklichen Sandwich-Varianten an, einschließlich unserer Spezialität, dem »Stuffed Special« – ausgehöhltes Baguette mit Schichten aus Fleisch, Käse, Gemüse und Pasta. Alles war selbst zubereitet, mit frischen Zutaten, wenn möglich aus der Region, Fleisch von Rindern aus Weidehaltung und Freilandhühnern, ohne Zusatz von Hormonen, und vielen Bioerzeugnissen. Als Biologin war ich gegen den Einsatz von Pestiziden beim Gemüseanbau, denn ich wollte sichergehen, dass wir unsere Kunden verköstigten und nicht langsam vergifteten. Ja, es war kostspieliger, qualitativ hochwertige Zutaten zu verwenden, und ja, es schlug sich in unseren Preisen nieder, aber mein Bauch – der meines Wissens ziemlich gesund war – sagte mir, dass DAS LEBEN IST EIN PICKNICK ein Erfolg werden würde.
In der Mitte des Ladens waren Picknickkörbe verschiedener Größe und Form aus Peru und Guatemala ausgestellt. An der Seite hingen Woll- und Tischdecken an Haken, und Retro-Brettspiele – Sorry!, Scrabble, Schach und andere – lagen zum Spielen bereit, neue konnten erstanden werden. Zwischen Essbereich und Verkaufstheke gab es vier Regalgänge – etwa halb so lang wie früher –, gefüllt mit Wein, Crackern und besonderen Delikatessen. An einer Wand standen Kühlvitrinen mit Bier,
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