Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die andere Seite des Glücks

Die andere Seite des Glücks

Titel: Die andere Seite des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seré Prince Halverson
Vom Netzwerk:
alkoholfreien Getränken, Fruchtsäften und zwölf verschiedenen Sorten Wasser, und in der altmodischen, frisch reparierten Colatruhe, die ich in Marcellas und Joe seniors Scheune entdeckt hatte, lagen Colaflaschen auf Eis. Joe hatte immer vorgehabt, sie instand setzen zu lassen und im Laden zu benutzen, war aber nie dazu gekommen. Dank meiner neuen Einstellung, nichts mehr auf die lange Bank zu schieben, war ich zur Tat geschritten und hatte mich an eine Werkstatt in Santa Rosa namens »Retro Refresh« gewandt.
    Die Wände waren in einem blassen Goldrutengelb gestrichen – erst beim dritten Versuch hatten wir den richtigen Ton getroffen. Als ich dann einen Tag vor der Eröffnung mitten im Laden stand und der sonnenüberflutete Putz eine warme, heitere Atmosphäre verbreitete, musste ich tatsächlich lächeln. Ich merkte richtig, wie meine Mundwinkel nach
oben
gingen – eine lächelnde Närrin, im Begriff, einen Laden namens DAS LEBEN IST EIN PICKNICK zu eröffnen, nur wenige Monate nach dem Tod ihres Ehemannes.
Das Leben ist ein Trip
wäre wohl der angemessenere Name gewesen.
    Wir hatten Pressemitteilungen an alle Zeitungen, Magazine und Radiosender geschickt, und sogar an die TV -Stationen in ganz Kalifornien – laut David nur für den Fall, dass es der ereignisloseste Tag in der Geschichte des Fernsehens würde und jemand eine Story über uns bringen wollte.
    Das Einzige, was noch fehlte, war die Karte mit den Picknickplätzen. Clem Silver, ein landesweit anerkannter Illustrator und Maler, hatte gesagt, er würde fertig werden, doch wir öffneten in weniger als vierundzwanzig Stunden und hatten noch nichts von ihm gehört. Das Problem wurde noch dadurch größer, dass Clem nie ans Telefon ging. Als ich ihn einmal darauf ansprach, sagte er: »Welcher Einsiedler geht schon ans Telefon?« Da war was dran. Jeder wusste, dass Clem zurückgezogen oben im Wald lebte, im dunklen Schatten der Redwoodbäume. Er hatte die langen, weißen Haare zum Pferdeschwanz zusammengebunden, seine langen Fingernägel waren voller Farbe, und er rauchte extra lange Damenzigaretten – Virginia Slims mit Menthol. Und offenbar brauchte er auch lange Zeit, um seine Arbeit fertigzukriegen.
    Die Türglocke ertönte, und David und Gil kamen mit Kisten und Tüten herein, gefolgt von Annie und Zach, die Metalleimer mit Anmachholz hinter sich herzogen. Als Nächstes erschienen Marcella mit einem Arm voll Hortensien und schließlich Lucy mit noch mehr Wein.
    »Ich muss unbedingt Clem Silver ausfindig machen«, sagte ich zu Lucy. »Ich weiß aber nur ungefähr, wo er wohnt, irgendwo oben in den Shadies.«
    »Du musst einfach die Spiral Road ganz hoch gehen, vorbei an dem Schild VORSICHT BISSIGER KÜNSTLER , und wenn du glaubst, am letzten Haus angelangt zu sein, dann noch etwa vierhundert Meter weiter.« Sie zeigte zur Tür. »Hier sieht schon alles super aus. Ich kümmere mich um die Kinder und den Rest, und du gehst hin.«
    »Sicher? Ihr steckt mitten in der Weinlese.«
    »Crush macht eine Weile ohne mich weiter. Ich muss mal was anderes sehen als Jeans und Stiefel und lila Traubenflecken. Geh schon, El, und lass dir Zeit. Du kannst ruhig mal eine Pause einlegen, bitte.«
    Lucy zog ihre cremefarbene Samtmütze zurecht, wirbelte in ihrem langen Paisleyrock herum und rief Annie und Zach zu sich, damit sie ihr mit den Tischdecken halfen.
    Ich stahl mich davon, froh, einen Spaziergang machen zu können. Ich ging die Straße entlang, vorbei an der briefmarkengroßen Poststelle, den beiden Restaurants und dem Elbow Inn, dem die Häuser der Nardinis, Longobardis und McCants folgten, und überquerte schließlich die verkehrsreichere Straße, die die Stadt Elbow vom Wald trennte.
    Ich marschierte die steile, einspurige Spiral Road entlang, die sich tatsächlich spiralförmig den Hügel hinaufschlängelte. Die Stadtgründer hatten die Straßennamen manchmal wörtlich genommen. Doch es waren die Southern Pomo Indians gewesen, die dem Ort den Namen Shady Place gegeben hatten und ihre Zelte immer nur vorübergehend in den schattigen, dunklen Redwoods aufschlugen; sie zogen es vor, auf den sonnigen, mit Eichen bewachsenen Hügeln zu wohnen. Die Kashaya Pomo bezeichneten sich sogar als »Die Menschen vom Dach des Landes«, als ob sie prahlen wollten: »Wir leben in der schönen, sonnigen Gegend.«
    Dann kamen die Weißen und begannen mit dem Abholzen. Nach dem Bau der Eisenbahnlinie reisten die Städter aus San Francisco mit dem Zug an, um hier zu fischen und

Weitere Kostenlose Bücher