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Die andere Seite des Glücks

Die andere Seite des Glücks

Titel: Die andere Seite des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seré Prince Halverson
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Gefühl, richtig gehandelt zu haben. Ich freute mich schon auf den Tag, wenn ich keine Sorgerechtsängste mehr haben und mich auf die Vormittage hinter der Verkaufstheke konzentrieren würde, Kunden bediente und mit David Gerichte zusammenstellte, während die Kinder in Schule und Kindergarten wären. In dem Moment kam David mit einem Stapel Kartons herein.
    »Und, haben deine Ohren geklingelt?« Er stellte die Kartons ab und fing an, Vorräte auszupacken. »Weil ich nämlich gerade mit einem Reporter vom
Press Democrat
geredet habe. Mit dir wollen sie auch noch sprechen. Und das jetzt wird dir sicher gefallen:
Sunset
bringt vielleicht eine Story über uns, und
Real Simple
bearbeite ich auch gerade. Aber das kann Monate dauern.«
    Ich nickte und nickte.
    Er legte mir die Hand auf die Schulter. »Ist alles in Ordnung? Du siehst erschöpft aus.«
    »Oh, danke.« Ich streckte den Rücken. »Mir geht’s gut. Es ist nur … Ich würde gern hier unten bleiben und mit dir verkaufen spielen, aber ich muss hoch und auf Entdeckungsreise in den Akten gehen, wegen dem Anhörungsmist.«
    »Ohhh, klingt nach jeder Menge Spaß.«
    »Genau.«
    »Auch das geht vorüber. Und deine Kinder sind bald wieder bei dir zu Hause. Du wirst sie in die Schule und in den Kindergarten bringen, überregionalen Zeitschriften Interviews geben, gespickt mit charmanten und klugen Aussagen, die sie dann in ihren Artikeln zitieren, wobei du nebenher die selbstgemachte, mit frischem Gartengemüse zubereitete Suppe umrührst und kurz wegtänzelst, um ein Holzscheit im Ofen nachzulegen.«
    »Jetzt tänzele ich erst einmal nach oben ins Büro, um mich durch Berge von Geschäftsakten zu wühlen.«
    »Moment – hast du das Wurzelgemüse gedünstet?«
    »Oh. Nein.« Ich hatte keine Zeit, Wurzelgemüse zu dünsten. »Soll ich dir beim Kleinschneiden helfen?«
    »Du hast es nicht mal kleingeschnitten?«
    »David, es tut mir leid, ich kann es schnell machen.«
    »Sicher?« Nein. Ich meine ja, ich war sicher, dass ich es nicht konnte, machte es aber trotzdem, zerkleinerte große Mengen Karotten, Süßkartoffeln, Butternusskürbis und Zwiebeln, so flink, wie er es mir beigebracht hatte, und schnitt mir zweimal fast die Fingerkuppe ab.
    »O mein Gott«, sagte David. »Vorsicht! Laut Rezept kommt Blutorangensaft rein, aber nicht Blut und Orangensaft.«
    Als die riesige Herdpfanne halbvoll war, rührte ich Olivenöl, Thymian, Salz und Pfeffer, einen Schuss Ahornsirup und frisch gepressten Blutorangensaft unter, ohne mein eigenes Blut zuzugeben, und schob alles in den Ofen. Schon bald duftete es im ganzen Laden nach Liebe und Fürsorge und Wohlbefinden. Sofort sprintete ich die Treppe hinauf, immer zwei Stufen auf einmal, um ganz schnell den inkriminierenden Beweis gegen die Frau zu finden, die das Sorgerecht für Annie und Zach an sich reißen wollte.

    Ich schloss die Bürotür hinter mir ab, falls David auftauchen würde, um meinen Schmerz mit seinem Zitronengebäck zu lindern, und konzentrierte mich auf die Kartons, die ich am Vortag aus der Kammer hierhergeschleppt hatte. Ich war fest entschlossen, diesen Brief zu finden, der die wahre Paige ans Tageslicht bringen würde.
    Ich würde den Brief finden. Gwen Alterman würde eine Erklärung verfassen, die Paige klarmachte, dass sie die Kinder besuchen durfte, sich aber nicht in ihr Leben drängen und sie mir wegnehmen konnte. Dass sie Annie und Zach niemals da herausreißen konnte, wo sie hingehörten. Hierher. Zu mir. Zu uns.
    Ich fand einen Karton mit Zachs leerem Babybuch, nicht selbstgemacht wie Annies, sondern gekauft, mit blauen Bären. Alle Seiten – das erste Lächeln, das erste Lachen, das erste Wort, der erste Zahn – waren leer.
    Und ich fand mehr Fotos, aber nicht von der Familie, sondern von Paige.
    Beim Entkleiden …
    Nackt.
    Sobald mir klarwurde, was für Aufnahmen ich vor mir hatte, warf ich sie zurück in den Karton und stand auf. Mir war wieder schwindlig. Ich brauchte eine Tablette, nahm zwei aus dem Rucksack und schluckte sie. Mit dem Fuß schob ich die Kiste in den Wandschrank zurück, schloss die Bürotür auf, machte mich auf den Weg nach unten, blieb auf halber Treppe stehen, drehte mich um, ging zurück. Ich schloss die Tür wieder auf, zog die Kiste heraus und sah mir jedes Fotos einzeln an. Studierte sie. Es war eine Serie. Auf dem ersten trug Paige eine langärmlige Bluse, einen Rock. Sie sah jung aus, um die zwanzig. Viele der Aufnahmen waren Porträts, manchmal saß sie aber auch auf

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